Der Tod wirft lange Schatten
reparieren.
»Du kannst wohl alles«, sagte Mia staunend, während er zwei stählerne Dielen auslegte, die von der Straße in den Laderaum seines zerbeulten Kleinlasters reichten.
»Bis auf die Steuererklärung. Es ist besser, man braucht keine. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Warum Geld für den Abschleppdienst ausgeben? Wir bringen den Hüpfer zu dir nach Hause, wo ich keine Angst haben muß, daß mir jemand über die Beine fährt, wenn ich unter dem Auto liege.«
»Brauchst du den Wagen für die Arbeit?« fragte sie.
»Der taugt für alles. Wenn ich in Urlaub fahre, werf ich eine Matratze hinten rein.«
»Sehr romantisch, ohne Fenster.«
»Und jetzt schieben wir den Cinquecento rein. Mit ein paar Metern Anlauf schaffen wir das. Nur die Polizei darf uns nicht sehen.« Er schaute die Viale Miramare hinunter, wo der Verkehr stockte. Es war Mittagszeit und damit Schichtwechsel bei den Badegästen am Lungomare. Die Alten, die morgens schon um sieben Uhr ihre Liegen stets am gleichen Platz aufstellten, brauchten wie jeden Tag zur gleichen Zeit ein warmes Essen.
»Was machst du eigentlich, wenn du keine Autos transportierst«, sagte Mia.
»Von allem ein bißchen. Los, schieb!«
Sie schafften es im ersten Anlauf. Sie waren sogar ein bißchen zu kräftig. Mit einem dumpfen Schlag stieß das Auto gegen die Trennwand zum Fahrerhaus. Angelo legte den Gang ein und zog die Handbremse an. »Rasen dürfen wir jetzt nicht, sonst verrutscht der Kleine.«
»Liegst du deiner Mutter auf der Tasche oder hast du einen Job?« fragte sie noch einmal.
Angelo hob die Augenbrauen und schaute sie so lange an, bis sie befürchtete, er würde die ganze Reihe parkender Autos rammen.
»Bei der Rente, die sie hat? Nein, ich tu das, was sich so ergibt. Mal Schreiner, mal Maurer, mal Vermittler von irgendwelchen Geschäften und manchmal gar nichts. Entscheidend im Leben sind die richtigen Kontakte. Je mehr du hast, um so leichter kommst du weiter. Und nicht immer Fragen stellen, das hilft auch weiter. Mit Fragen verdirbt man den anderen nur den Tag. Das wirkt sich umgehend negativ auf die Anzahl der Kontakte aus und damit auf die Geschäfte. «
Mia schüttelte den Kopf. Sie hatte genau das Gegenteil in ihrem Leben gelernt. »Wer weiterkommen will, muß fragen. Es gibt viele Leute, die einem gerne weiterhelfen.«
»Es gibt auch ungesunde Neugier. Helfen ist etwas ganz anderes.«
Im Hof hatte er den Wagen aufgebockt und war daruntergekrochen. Während Mia in den Wohnzimmerschränken nach Unterlagen über das mysteriöse Waffendepot suchte, hörte sie draußen Angelo, der bei der Arbeit die neuesten Schlager sang und mit seinem Werkzeug klapperte.
»Es ist die Benzinleitung«, rief er irgendwann.
»Was?« Mia ging ans Fenster.
»Ich komme in einer halben Stunde zurück. Wir brauchen eine neue.«
»Ist es kompliziert?« fragte Mia anstandshalber.
»Eine Kleinigkeit«, sagte Angelo und zog sich das T-Shirt über den nackten, schwarzbehaarten Oberkörper. »Mach dir keine Sorgen.«
Wie oft hatte sie eigentlich in den letzten Tagen gehört, sie solle sich keine Sorgen machen? Sie hatte keine. Sie hatte alle in Australien zurückgelassen. Alles war in Ordnung. In den Unterlagen und dank der Hilfe der Notarin würde sich alles über das Lager finden. Wenn das Waffendepot wirklich ihr gehörte, würde es viel Geld bringen, hatte der Carabiniere gesagt. Und wenn nicht, war es auch nicht schlimm. An Geld mangelte es wirklich nicht. Und alles hier war ein großes Abenteuer, das ihr zunehmend gefiel.
Während er sich später die Hände wusch, schlug Angelo vor, gemeinsam eine Probefahrt zu machen. Er war enttäuscht, als sie sagte, sie müsse zur Polizei wegen des Lagers und wisse nicht, wie lange das dauern würde. Und danach sei sie bereits verabredet. Auch morgen hätte sie den ganzen Tag zu tun.
Angelo verstummte, und seine Laune verfinsterte sich. Sie hörte, wie er den Wagen anließ und testete. Dann ging er grußlos vom Hof. Mia schaute ihm nach. Ein komischer Kerl. Weshalb hatte er plötzlich schlechte Laune? Er hatte sich doch nicht etwa in sie verliebt?
*
Calisto hatte vor der Questura auf Mia gewartet, wo sie die Anzeige zurückgezogen hatte. Beim Aperitif hatte er vorgeschlagen, erst schwimmen und danach zum Abendessen zu gehen. Aber Mia hatte keine Badesachen dabei.
»Der schönste Strand liegt hinter den Filtri am Fuß der Steilküste. Dort brauchst du gar nichts, außer einem Handtuch. Im Sommer habe ich immer eines
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