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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Nachbarn sollte Friede herrschen.

Europa wächst
    Als Laurenti nach halbstündiger Schiffsfahrt mit dem Delfino Verde endlich bei der Guardia Costiera eingetroffen war, empfing ihn Orlando mit einem freundlichen Schlag seiner Riesenpranke auf die Schulter und bugsierte ihn gleich wieder zur Tür hinaus. »Gehen wir ein Stück in den Alten Hafen hinein«, sagte der Seebär.
    Laurenti zögerte. Er war schon genug zu Fuß unterwegs gewesen und erzählte von der Wanderung im Val Rosandra, die Sgubin ihm eingebrockt hatte. Das war Fußmarsch genug.
    »Diese Dinge sollte man immer irgendwo besprechen, wo man sicher ist, daß niemand lauscht.« Orlando zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger zur Decke des Raumes.
    Als sie die ausgefahrene Straße an den ehemaligen Lagerhallen vorbeigingen, faßte Laurenti in ein paar Sätzen zusammen, was er am frühen Morgen am kleinen Hafen der Marina Aurisina beobachtet hatte. Orlando hörte zu und zog ihn nur einmal am Arm zur Seite, als ein stinkender Viehtransporter voller Rinder vorbeifuhr.
    »Die wäre ich gerne los! Seit diese Tierschützer am Werk sind, müssen wir auch noch das Gelände des Alten Hafens stärker bewachen. Dabei haben sie ja recht. Wenn der Wind von Nordwesten kommt, stinkt es bis ins Büro. Gott sei Dank passiert das nicht oft. Vor allem aber tun mir die Viecher leid. Kein schöner Anblick. Solange das Herz noch schlägt, wenn sie verladen werden, gibt es eine Exportprämie. In Brüssel interessiert niemand, unter welchen Bedingungen sie transportiert werden. Die Europäische Union verkommt immer mehr zur Lobbyisten-Vereinigung.«
    »Lenk nicht ab«, sagte Laurenti. »Sag endlich, was du weißt.«
    »Laß die Finger davon.« Orlando blieb stehen, schaute auf Laurenti herunter und faßte ihn an den Schultern wie ein kleines Kind. Laurenti wand sich aus seinem Griff.
    »Natürlich haben wir die Sache mitbekommen«, sagte Orlando. »Einmal wurden die beiden Damen sogar kontrolliert, aber sie kamen mit einer Geldbuße davon. Fehlende Nationalitätenfahne und kein Schiffskennzeichen genügen unter solchen Umständen für eine vorübergehende Beschlagnahmung des Boots. Aber meine Männer ließen sich bezirzen. Sie haben es bei der Dienstbesprechung zugegeben.«
    »Woher kamen die Mädchen?«
    »Irgendwo von jenseits der Grenze. Sie hatten auch keine Pässe dabei. Die Durchsuchung des Bootes brachte nichts. Daraufhin haben sie die Damen ohne größeren bürokratischen Aufwand zurückgeschickt. Manche tuckern lieber auf dem Meer herum, als am Schreibtisch Berichte zu verfassen. Du kennst das. Aber es passierte noch etwas. Die Kollegen von der Guardia di Finanza erzählten von einem Boot gleichen Typs, das von zwei Frauen gefahren wurde. Sie wollten sie kontrollieren, doch die Ladies entwischten. Das war ein paar Tage zuvor. Nicht alle Patrouillenboote sind stark genug, um die Verfolgung eines solchen Geschosses aufnehmen zu können. Ihr habt ja auch nicht nur schnelle Autos bei der Polizei.«
    »Und warum habt ihr euch nicht zusammengetan und diesen Leuten eine Falle gestellt?« fragte Laurenti.
    »Weil in dem Moment, als der Plan zwischen uns, der Guardia di Finanza, deinen Kollegen von der Polizia Marittima und den Carabinieri abgesprochen war, das Telefon klingelte und ein netter Mensch uns deutlich zu verstehen gab, daß wir uns herauszuhalten hätten. Antiterrorismus. Eine Abteilung des Geheimdienstes.«
    »Hast du nicht nachgehakt?« fragte Laurenti.
    »Bist du wahnsinnig?« Orlando lachte spöttisch. »Du weißt ganz genau, daß man in diesem Fall keine Chance hat.«
    »Danke für die Warnung.« Laurenti wußte, wofür er sich bedankte. Auch er hatte seine Erfahrungen mit diesen Leuten gemacht. Das Gespenst der Geheimdienste war mächtig und wirkte auf jeden, der damit zu tun bekam, wie eine dunkle Gewitterwand, die sich bedrohlich am Himmel über Monfalcone aufbaute und aus allen Richtungen grelle Blitze abschoß.
    So war das also. Laurenti hatte es die Lust verschlagen, nochmals ins Büro zu gehen. Er brauchte eine Stunde Ruhe am Meer und fuhr direkt nach Hause, doch zu seinem Leidwesen waren schon wieder Gäste da. Er sah sie von der Terrasse aus. Laura und ihre Freundinnen lagen in der Abendsonne unten am Strand und gaben sich hüllenlos der Sonne hin. Und auch der Kühlschrank steckte voller Grillfleisch. Ein Blick in die Küche hatte genügt, um über den weiteren Verlauf des Abends Bescheid zu wissen. Proteo Laurenti verspürte nicht die geringste Lust,

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