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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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war.
    *
    Sowohl Laurenti als auch Rosalia bestanden darauf, daß Mia blieb.
    »Sie waren enge Freunde gewesen und hingen immer in der ›Bar Sport‹ herum«, erzählte Rosalia. »Die Jugendlichen aus dem Dorf trafen sich dort, aber auch andere, die aus der Stadt kamen. Mit ihren Autos verunsicherten sie die Straßen. Es gefiel ihnen, daß die Leute sich erschreckten, wenn sie mit quietschenden Reifen um die Ecke schossen.« Rosalia lächelte. »Das Leben entscheidet erst später, ob jemand für immer auf die schiefe Bahn gerät oder nicht. Angelo hatte sich schnell gefangen, als er älter wurde. Aber Calisto ist bis heute ein Tunichtgut geblieben.«
    Ihr Blick war hart und der Tonfall bitter, sobald sie von Calisto erzählte. Laurenti hatte bald keine Fragen mehr. Er kannte die Lebensläufe der beiden Männer inzwischen auswendig. Das waren keine dicken Fische, sondern zwei Schlawiner, die sich ein bequemes Leben gemacht hatten. Der eine etwas länger als sein Freund. Aus der Liste ihrer Vorstrafen konnte jeder Idiot erkennen, daß sie keine großen Dinger drehen konnten. Jeder außer Sgubin. Als endlich die Verwandten der alten Dame kamen, verabschiedeten sich Mia und Laurenti. Auf der Straße fragte er, ob sie mit ihm in die Bar kommen wollte, von der Rosalia gesprochen hatte. Doch Mia lehnte ab. Sie war müde und wollte alleine sein.
    »Seit wann haben Sie ein Verhältnis mit Calisto?« fragte Laurenti, als sie die Hoftür öffnete.
    Mia schaute ihn verblüfft an. »Da ist nichts«, sagte sie. »Nicht wirklich. Weshalb?«
    »Man hat sie mit ihm am Nudistenstrand gesehen. Ich weiß, das bedeutet nichts. Ich gehe auch manchmal dorthin.«
    *
    Irina wollte es noch einmal versuchen. Wenn sie auch diesmal an der Gepäckaufbewahrung scheiterte, mußte sie den alten Mann mit dem schwarzen Hund überreden, ihr zu helfen. Außerdem brauchte sie dringend Geld. Der nächste Zahlungstermin war in ein paar Tagen. Der Chef würde seit dem Vorfall am letzten Abend noch penibler auf seine Einhaltung achten. Die siebzig Euro, die ihr der Alte gegeben hatte, stopften das Loch nur ein bißchen, und unvorhergesehene Ausgaben kamen auf sie zu. Sie mußte ihr Äußeres verändern, damit sie der dicke Mann, der sie im Bahnhof abgepaßt hatte, nicht auf den ersten Blick wiedererkannte.
    In einem der Chinesenläden im Borgo Teresiano erstand sie einen neuen Rucksack, der weniger auffällig war, und eine neue Windjacke. Obwohl sie einen schäbigen Männerfriseur aufsuchte, kostete das Haareschneiden ein Vermögen.
    Irina ließ kein einziges Lokal aus, doch unter der Mittagshitze war das Zentrum wie ausgestorben. Die klimatisierte Bar im Bahnhof war stärker frequentiert. Sie betrat den lärmigen Raum jedesmal eine Viertelstunde vor Abfahrt eines Zugs und nahm tatsächlich ein bißchen Geld ein. Einmal mußte sie zur Toilette. Der einzige Zugang führte an der Gepäckaufbewahrung vorbei. Schon von weitem sah sie den Dicken wieder an der Wand lehnen. Sie brachte nicht den Mut auf, im Schutz einiger Reisender an ihm vorbeizugehen. Also machte sie noch eine Runde in der Bar und danach einen erneuten Versuch. Drei glatzköpfige, junge Männer in schwarzen Hemden gingen mit einigem Abstand vor ihr her. Eine ideale Deckung für einen kurzen Weg. An der Gepäckausgabe sprangen plötzlich zwei der Glatzköpfe über die Absperrung und verschwanden im hinteren Teil des Raumes. Der dritte stand in provozierender Schlägerhaltung mitten im Korridor und wies alle, die sich nähern wollten, mit einer aggressiven Kopfbewegung zurück.
    Irina wagte nicht einmal mehr zu atmen, als plötzlich der Dicke so dicht neben ihr stand, daß sie seinen Schweiß riechen konnte. Sie beobachtete ihn aus einem Augenwinkel. Noch hatte er sie nicht gesehen. Langsam drehte sie ihm den Rücken zu und schlich Schritt für Schritt davon. Hatte die neue Frisur sie gerettet, oder war es nur Glück, daß er sie nicht erkannt hatte? Irina verließ den Bahnhof durch den Seiteneingang und ging zu den Toiletten im Parkhaus gegenüber. Sie wandte sich nicht einmal um, als Streifenwagen die Ausgänge hinter ihr blockierten.
    Jetzt war klar, sie brauchte Hilfe. Sie mußte den alten Mann finden, und diesmal mußte es ihr gelingen, ihn zu überzeugen. Sie hoffte, daß er am Abend wie immer an seinem Stammplatz im »Nastro Azzurro« saß. Dann würde sie ihm unbemerkt einen Zettel statt des Kärtchens zuschieben. Und wenn er ihre Sprache nicht verstand, dann würde er sicher einen Weg

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