Der Tod wirft lange Schatten
sie ein und machte ein paar Bilder von ihnen.
Die vier Typen waren unruhig. Laurenti hörte, wie sie aufgeregt miteinander diskutierten, doch verstand er ihre Sprache nicht. Er schoß ein paar Bilder der Plastikkisten und ging eilig wieder in Deckung, als hektische Bewegung in die Gruppe kam. Das Boot mit den beiden Frauen fuhr an die Mole und nahm die Ladung an Bord. Laurenti fotografierte ungestört, niemand bemerkte ihn. Dann brüllten die beiden Motoren wieder auf und das Boot schoß zur Hafeneinfahrt hinaus. Die Männer verdrückten sich schnell. Laurenti wartete, bis sie hinter der Bellariva verschwunden waren, streifte Flossen und Tauchmaske ab, und lief ihnen hinterher. Er sah sie in einen schwarzen Subaru steigen, wenden und davonfahren. Die Autonummer, die der alte Fischer ihm vorgestern genannt hatte, stimmte.
Mit dem Heimweg ließ Laurenti sich Zeit. Gestern abend hatte er eine Wette mit seinem Sohn abgeschlossen. Er war von Servola zu »Scabar« gefahren, wo Marco arbeitete. Dessen Freude aber hielt sich in Grenzen, als er seinen Vater sah. Marco war der Besuch peinlich.
»Du hättest zumindest vorher anrufen können«, sagte er, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Er mußte Seespinnen ausnehmen, was nicht zu seinen Lieblingstätigkeiten zählte und diffizil genug war. In einem solchen Lokal erwarteten die Gäste, nichts vom Panzer zwischen dem zarten Fleisch zu finden und sich daran die Zähne auszubeißen. Und außerdem hatte Marco seinen Vater seit drei Tagen nicht gesehen. »Ich habe zu tun, Papà«, sagte er ohne aufzublicken und drehte ihm sogar den Rücken zu, um das blaue Auge zu verbergen.
»Mach eine Pause«, sagte dann auch noch seine Chefin. »Dein Vater kommt schließlich nicht jeden Tag vorbei. Zeig ihm das Lokal. Und wenn Sie essen wollen«, sagte sie zu Laurenti, »ein Tisch auf der Terrasse ist noch frei.«
Laurenti nahm dankend an. »Oddio, was hast du gemacht?« Er faßte Marco am Arm und wollte sich das geschwollene Auge ansehen. »Kannst du in dem Zustand überhaupt arbeiten?
»Nichts Besonderes. Ich dachte, Mama hätte es dir schon gesagt. Es war nach dem letzten Spiel der ›Triestina‹. Die Hooligans, wie immer. Aber die haben wir noch schlimmer zugerichtet.«
»Direkt vor dem Stadion? Da greift die Polizei doch bei der kleinsten Rempelei ein.«
»Da siehst du mal, wie die Sache wirklich ist. Wenn man euch braucht, seid ihr nirgends zu finden.«
»Seit wann interessierst du dich eigentlich für Fußball?«
Laurenti hatte ausgezeichnet zu Abend gegessen und mit Marco eine Wette geschlossen. Sein Sohn war davon überzeugt, daß er den Branzino am Vortag nicht selbst gefischt hatte. Laurenti war erstaunt, daß Marco ihm auf die Schliche gekommen war, wollte es aber nicht zugeben. Marco schlug schließlich vor, daß er seinen einzigen freien Tag opfern würde, wenn Laurenti ihm einen wirklich eigenhändig harpunierten Fisch brachte. Sein Vater könne einladen, wen er wolle. Er hätte zwei Tage Zeit, andernfalls sollte Laurenti ihm eine Woche Ferien im schönen Hotel »Savoy« in Grado bezahlen, wo Marco näher bei seiner Freundin wäre.
Nichts wie ran. Auf dem Hinweg zur Marina di Aurisina hatte er bereits gesehen, daß es ein fischreicher Tag war. Demnächst einmal würde er sich von Srečko erklären lassen, woran es lag, daß die Tiere mal da waren, mal nicht. Laurenti hatte Jagdfieber. Wenn er schon nichts wegen des Schlauchbootes unternehmen konnte, dann wollte er doch wenigstens einen richtigen Fisch an Land ziehen.
Die ersten Schüsse aus seiner Harpune waren ungelenk und trafen ins Leere, doch mit der Zeit wurde er sicherer. Als er aus dem Wasser stieg, hatte er eine Dorade von gut und gerne zwei Kilogramm gefangen. Den Pfeil der Harpune ließ er stecken, wie er war. Marco sollte ihn sehen. Laurenti staunte selbst, wußte aber, daß die Größe des Fisches ihm zugute gekommen war – kleinere Exemplare hatte er vorher verfehlt. Noch einmal schwamm er hinaus und kam eine halbe Stunde später mit einem Kraken zurück. Warum es ausgerechnet ihm gelang, ein Exemplar von einem halben Meter zu erwischen, das bisher allen seinen Jägern entkommen war, blieb ihm ein Rätsel. Ein Glückstag. Laurenti freute sich, gleich heute könnte Marco seine Kochkünste beweisen und endlich einmal gäbe es keinen Grillabend.
Nachdem er seinen Fang in der Küche abgelegt hatte, klopfte Laurenti lange an die Tür von Marcos Zimmer.
»Komm, ich muß dir etwas zeigen«, sagte er gut
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