Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
bei anderer Gelegenheit.«
    Calisto verließ mit einem gequälten Lächeln grußlos den Raum.
    »Was ist dir nur eingefallen?« fragte Laurenti. »Calisto ist ein kleiner Ganove, aber kein Mörder.«
    »Angelos Mutter hat gesagt...«
    Laurenti winkte ärgerlich ab.
    »Und ganz Servola weiß, daß Angelo auf ihn losgegangen ist und sie sich geprügelt haben. Calisto mußte kräftig einstecken. Wenn das kein Motiv ist.« Sgubin deutete auf die Kippe im Aschenbecher. »Für die DNA! Sobald die vom Tatort vorliegt, hab ich ihn.«
    »Hast du etwas über die Marke des Slips erfahren?«
    Sgubin schüttelte den Kopf. »Dazu war noch keine Gelegenheit.«
    »Weißt du, was ›Tout de suite‹ heißt? Subito! Ruf Marietta. Es wird Zeit, daß hier endlich vernünftig gearbeitet wird.«
    *
    Laurenti hatte seine Mitarbeiter zusammengetrommelt weil es dringend nötig war, eine Bestandsaufnahme zu machen. Sgubin mußte beginnen. Rosalia hatte ihren Sohn eindeutig identifiziert. Die alte Frau hatte ihm auf der Fahrt nach Servola vom Krach zwischen Angelo und Calisto erzählt, und Sgubin war gleich danach in die »Bar Sport« gefahren, um den Wirt zu befragen, der den Vorfall bestätigte. Calisto hatte er wenig später dann zufällig in der Pizzeria entdeckt, doch beschlossen, ihn sich erst nach dem Mittagessen vorzuknöpfen. »Warum?« fragte Laurenti. Sgubin hatte gute Gründe. Er berichtete, daß Calisto mit einem rotgesichtigen, blonden Mann verhandelt hatte und danach mit ihm das Lokal verließ. Als er kurz darauf selbst hinausging, saßen die beiden in einem blauen Audi mit Salzburger Kennzeichen, das er sich notierte. Er sah, wie der Blonde ein dickes Geldbündel in Calistos Hand zählte. Bondi 007, Sgubins Kollege von der Guardia di Finanza, hatte auch schon von dem Boot gehört, das in der letzten Zeit manchmal morgens bei der Marina di Aurisina auftauchte. »Bargeld«, sagte Sgubin aufgeregt, »das muß irgendwie zusammenhängen.« Laurenti runzelte die Stirn. Soviel Geld, daß es mehrere Transporte brauchte? Milliarden auf einem Schlauchboot mit zwei Außenbordmotoren und unter der Obhut von zwei Blondinen im Bikini? Auch er kannte Bondi 007 und hatte von ihm die gleiche Meinung wie alle – außer Sgubin. Ein Taugenichts, den nur der Beamtenstand vor Entlassung schützte.
    Eine Sache aber war wirklich überraschend. Als Marietta endlich zu Wort kam, behauptete sie, daß Mia und Calisto ein Verhältnis hatten. Am Nudistenstrand hatte Marietta die beiden erkannt. Und Laurenti begriff plötzlich, daß es nur ein Zufall war, daß sie nicht auch ihn entdeckt hatte. Wo zum Teufel gab es noch ein Fleckchen am Meer, wo man unbeobachtet war! Es war höchste Zeit, sich einen neuen Strand zu suchen.
    Seine Anweisungen waren knapp. Sgubin sollte endlich herausfinden, woher der Slip stammte. Marietta hingegen schickte Laurenti in die Redaktion des Piccolo, wo sie alles über den Fall Perusini kopieren sollte. Und dann müßte sie sich leider in den Verliesen der Questura vergewissern, ob wirklich einmal nach Vorschrift gearbeitet worden war. Vielleicht gab es doch noch Unterlagen über die Sache, auch wenn die Aufbewahrungsfrist längst abgelaufen war. Es war die einzige Hoffnung, näheres über den Fall zu erfahren.
    Die Akte de Henriquez lag bereits seit der Entdeckung der Lagerhalle auf seinem Schreibtisch. Nach der Information von Galvano war er nun doch gezwungen, einen Blick hineinzuwerfen und sich eine Staublunge zu holen.
    Laurenti blätterte lustlos in der alten Akte. Wie er das haßte! Tausende von Seiten. Papier, das durch weiß der Teufel wie viele Hände gegangen war und stockig roch. Manchmal rieselte Staub von einer Seite, manchmal fand sich eine einzelne Büroklammer oder eine zerquetschte Mücke. Einige Seiten waren von früheren Lesern markiert worden, es gab Unterstreichungen und unlesbare Kommentare an den Rändern. Aber sie war wenigstens vollständig. Er stützte die Stirn in die Handfläche und spürte, wie der Schlafmangel, den er bisher verdrängt hatte, ihn lähmte. Warum gab es keinen Sessel, in den er versinken konnte!
    Der Autopsiebericht lag zuoberst, von Galvano unterschrieben. Er hatte festgehalten, daß die Lunge nach sieben Monaten im Grab nur noch ein graues Stück Gewebe gewesen war, desgleichen die Atemwege. Ob der Mann an Rauchentwicklung erstickt oder bereits vorher tot war, ließ sich nicht mehr sagen. Das wäre immerhin der eindeutige Hinweis auf einen Mord gewesen. Warum hatte man ihn nicht

Weitere Kostenlose Bücher