Der Tod wirft lange Schatten
gelaunt, als sein Sohn schließlich gähnend öffnete.
»Um diese Zeit?« maulte Marco und tapste schlaftrunken hinterher.
»Ich habe die Wette gewonnen. Schau.« Laurenti hielt seine beiden Opfer hoch. »Jetzt bist du dran.«
Marco schüttelte verzweifelt den Kopf. »Du bist verrückt«, sagte er und prüfte die Dorade. »Aber ich bleib dabei: Der Branzino neulich stammte nicht von dir. Da bin ich mir sicher.«
Als er sah, daß Laurenti nach einem geeigneten Behälter suchte, brummte Marco: »Und weck mich bitte nie mehr so früh. Ich arbeite bis Mitternacht.«
»Und anschließend klapperst du die Diskotheken ab. Du brauchst dich nicht zu wundern, wenn du müde bist.«
Doch Marco antwortete nicht mehr. Laurenti hörte nur noch die Tür zum Zimmer seines Sohns ins Schloß fallen.
*
Er war am Abend noch einmal nach Servola gefahren, und Mia hatte ihm endlich geöffnet. Sie stammelte etwas vom Tod eines Onkels und daß sie niemand sehen wollte. Doch dann bat sie Calisto herein. Er erzählte ihr von dem Verhör in der Questura und schimpfte über die bösen Unterstellungen und die dämlichen Bullen, die ihm zutrauten, seinen Freund umgebracht zu haben. Mia hörte eine Weile zu und fragte ihn schließlich nach seinen Vorstrafen. Als sie auf einer Antwort beharrte, sagte er, daß selbst der Trottel in der Questura sanfter mit ihm umgegangen sei. Als Mia ihm auch noch vorwarf, sich nur deshalb an sie herangemacht zu haben, weil er mit dem Lager Geld zu verdienen hoffte, war seine Laune im Keller. Calisto war aufgestanden, um das Fenster zu schließen, damit der Streit nicht gleich im ganzen Dorf bekannt würde. Mia hatte ihn schreiend aufgefordert, umgehend das Haus zu verlassen, doch Calisto war einfach sitzengeblieben und hatte gesagt sie könne ja die Polizei rufen, wenn sie ihn wirklich loswerden wollte. Er rührte sich nicht einmal, als sie auf ihn losging und ihn ohrfeigte. Nach dem dritten Schlag fing er lachend ihre Hand ab. Mia gab endlich auf und versank in seiner Umarmung.
»Wir fahren nach Brioni«, sagte Calisto gut gelaunt, als er Mia am nächsten Morgen mit einem Kuß weckte und ihr den Kaffee ans Bett brachte.
»Wohin?« fragte Mia verschlafen.
»Wir nehmen das Boot eines Freundes. Es liegt im Hafen von Grignano, hinter dem Castello Miramare. In zwei Stunden sind wir dort. Brioni ist herrlich. Wir leihen Fahrräder, gehen schwimmen, es gibt ein nettes Restaurant und am Abend fahren wir zurück. Oder wir bleiben einen Tag länger. Wie es uns gefällt.«
»Mußt du denn nicht arbeiten?« fragte Mia.
»Heute nicht. Morgen auch nicht. Und vielleicht nie wieder. Zumindest nicht bei der Notarin. Sie hat mich in Zwangsurlaub geschickt, bis die Sache mit Angelo geklärt ist. Es war zuviel für sie, als mich die Bullen abholten. Komm, mach dich bereit. Ein Tag auf dem Meer wird dich ablenken.«
»Brioni«, sagte Mia.
»Eine wunderbare Insel. Sie war Titos Ferienresidenz. Er hatte sogar einen Zoo dort, mit richtigen Wildtieren. Giraffen, Zebras, Löwen und Gazellen. Aber keine Angst, von denen sieht man heute nicht mehr viel. Eher läufst du dort Naomi Campbell über den Weg oder Caroline von Monaco.«
»Wer ist Tito?« fragte Mia.
»Ich erzähl es dir auf der Fahrt.«
Eine Stunde später hatten sie abgelegt. Besonders bequem war das Boot nicht, dafür schnell. Es war ein Schlauchboot mit Fiberglasrumpf und zwei starken Motoren, das so heftig über die Wellen peitschte, daß Mia sich festhalten mußte. Einmal klingelte ihr Mobiltelefon, und sie bat Calisto, für einen Moment die Fahrt zu drosseln. Sie zog das Gerät aus der Tasche und schaute auf das Display. Dann steckte sie es wieder ein, ohne den Anruf anzunehmen.
»Los, gib Gas!« rief Mia lachend.
»Wer war das?« fragte Calisto.
»Die Polizei, wer sonst.«
»Na dann.« Calisto drückte die Gashebel bis zum Anschlag durch. Der Fahrtwind pfiff ihnen um die Ohren und die Gischt schlug immer wieder ins Boot. Es war wirklich die Polizei gewesen. Sie hatte Laurentis Nummer im Display erkannt.
Sie fuhren an Pirano vorbei und an den venezianischen Städtchen der kroatischen Küste. Umago, Cittanova, Parenzo, Orsera. Bald tauchte der Campanile von Rovigno auf. Sie badeten in einer Bucht und aßen eine Wassermelone. Zur Mittagszeit legten sie im kleinen Hafen von Brioni an. Jacobsmuscheln vom Grill und eine Languste von über einem Kilogramm Gewicht, zwei Flaschen istrische Malvasia und als Digestivo Brinjevec, den schwarzgebrannten istrischen
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