Der Tod wirft lange Schatten
gefangen?«
»Seit wann kümmern sich die Leute vom Geheimdienst um kleine Fische? Haben Sie nichts besseres zu tun?«
»Vorgestern waren Sie auch dort. Weshalb?«
»Fischen.«
»Waren Sie alleine?«
»Alleine mit vielen Fischen.«
»Antworten Sie.«
»Ihnen kann man wohl nichts recht machen. Sagen Sie schon, was Sie wollen?«
»Sie stiegen aus dem Wasser und folgten vier Männern. Weshalb?«
»Sie verhielten sich auffällig und verluden zwei Kisten auf ein Schlauchboot ohne Kennung. Ich bin Polizist. Auch ohne Uniform. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Selbst wenn ich schlafe, bin ich Polizist. Deshalb.«
»Das ist keine Sache für die Polizei, Laurenti.« Endlich drehte sich der Beifahrer zu ihm um, nahm erstaunlicherweise die Sonnenbrille ab und gab dem Fahrer ein Zeichen. Sie waren inzwischen auf der Höhe der Tenda Rossa und hielten an. »Lassen Sie die Finger davon. Da sind wir dran. Sie könnten die Angelegenheit vermasseln. Denken Sie an Ihre Karriere. Buona giornata.« Sein Handzeichen war eindeutig. Laurenti stieg grußlos aus und ließ die Autotür offen.
Was fiel diesen arroganten Schnöseln ein? Fast einen Kilometer mußte er am Straßenrand zurückgehen. Zweimal hupten vorbeifahrende Autos, wahrscheinlich Bekannte auf dem Weg zur Arbeit. Wenigstens hielt keiner von ihnen an. Laurenti hatte es die Lust auf Plaudereien vorerst verschlagen. Natürlich hatte Orlando ihn gewarnt, doch er war vorsichtig gewesen und hatte außer den vier Typen und den beiden Nixen keine Menschenseele entdeckt. Eine Seitenstraße, in der sie sich mit ihrem Wagen hätten verstecken können, gab es dort unten nicht. Laurentis Hand lag auf der Jackentasche und betastete die Kontur der kleinen Digitalkamera. So lagen die Dinge nun wirklich nicht, daß er ab sofort vergessen würde, was sich an den Filtri abspielte.
Es war halb neun, als er ins Büro kam. Mariettas Platz war wider Erwarten leer. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schlug die Zeitung auf. Die einzige Möglichkeit, sich zu beruhigen. Im Lokalteil fand er einen Artikel über den Stand der Ermittlungen in Sachen »Mucca Pazza«, auch sein Foto war neben der Abbildung der bewaffneten Kuh mit Sonnenbrille abgedruckt. In der Bildlegende stand zu lesen, daß er ein vielbeschäftigter Mann war: »Mucca Pazza«, das mysteriöse Waffenlager und auch der Tote im Val Rosandra, der inzwischen einen Namen hatte. Der letzte Satz lautete: »Hoffen wir, daß trotz der Überlastung des Kommissars die Schmierereien in der Stadt bald ein Ende haben und man sich ihrer nicht mehr schämen muß.« Laurenti fühlte sich zu Unrecht kritisiert, denn in den letzten zwanzig Jahren konnte er bisher noch jeden Fall von Bedeutung lösen. Und er fand sich auf dem Foto schlecht getroffen, aber das konnte nicht nur an seinen Haaren liegen, die er dringend schneiden lassen mußte. Irgendwie fühlte er sich schlanker als auf dem Bild. Er mußte darauf achten, das Hemd besser in die Hose zu stecken, wenn Fotografen ihre sinnlose Arbeit machten.
Laurenti griff zum Telefon und wählte die Privatnummer von Rossana Di Matteo, seiner alten Freundin, die den Lokalteil der Tageszeitung verantwortete.
»Hier spricht Proteo Laurenti, erinnerst du dich an mich?«
»Weißt du eigentlich, wie spät es ist?« Rossanas Stimme klang verpennt.
»Kurz nach halb neun, mein Schatz«, flötete Laurenti. »Freust du dich etwa nicht, von mir geweckt zu werden?« Es war das zweite Mal an diesem Morgen, daß er glaubte, alle müßten zu einer bestimmten Stunde so wach sein wie er. Schon Marco hatte gemault, als er ihm stolz seinen Fang präsentierte. Nur seine Freunde vom Geheimdienst schienen gerne früh aufzustehen. Klar, die Journalisten des Piccolo kamen selten vor 22 Uhr aus dem Büro und holten morgens nach, was sie angeblich am Schreibtisch verpaßten: Schlaf. Es war sinnlos, jemand von ihnen vor elf Uhr im Büro sprechen zu wollen.
»Was willst du?« Er hörte wie Rossana sich streckte und seufzte.
»Sag bitte deinen Hofpoeten, daß sie diese dummen Anspielungen unterlassen sollen. Das macht nur schlechte Stimmung.«
»Du weißt doch, wie das Geschäft geht. Wir brauchen Auflage. Was paßt dir nicht?«
»Lies es selbst.«
Rossana seufzte. »Ist sonst noch etwas, oder läßt du mich noch eine halbe Stunde schlafen?«
»Falls du heute abend frei bist, komm zum Abendessen. Stell dir vor, mein Sohn wird die Fische servieren, die ich heute früh um fünf Uhr herausgezogen habe. Eine Dorade
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