Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
und...«
    »Vaffanculo, Laurenti. Ich bin müde.«
    »Der Fisch ist frisch, Rossana. Frischer als du!« Laurenti lachte laut.
    »Ich saß bis spät im Büro, Schätzchen. Diese verdammten Tierschützer. Diese lächerliche Gruppe von handgestrickten Anarchisten.«
    »Welche Unterhosen trägst du?«
    »Laurenti!«
    »Kennst du eine Marke namens ›Toute de suite‹?« Laurenti vernahm ein leises Stöhnen. »Also, kommst du heute abend?«
    »Ja«, seufzte Rossana. »Wenn nichts Außergewöhnliches passiert.« Dann legte sie grußlos auf.
    Laurenti rief Sgubin zu sich, den er im Vorzimmer gehört hatte. Wahrscheinlich war er auf der Suche nach Marietta gewesen, um mit ihr wie jeden Morgen eine halbe Stunde zu verplaudern. Über Gott und die Welt und oft genug über den Chef. Laurenti erwischte ihn, bevor er sich davonstehlen konnte.
    »Nimm diese Kamera und zieh die Aufnahmen auf einen Computer. Dann vergleiche sie mit unserer Kartei. Und zu niemand ein Wort, ist das klar? Beeil dich!«
    Mißmutig nahm Sgubin den Apparat und drehte ab. Bevor er die Tür erreicht hatte, hörte er noch einmal die Stimme seines Herrn.
    »Was ist mit ›Toute de suite‹?«
    »Ich werde es heute vormittag wissen. Eine Freundin von mir hat ein Geschäft für Unterwäsche.«
    »Das habe ich mir fast schon gedacht.« Laurenti trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Der naive Sgubin, gut, daß er ihn bald los war! Heute sollte er auch erfahren, wer der Nachfolger sein würde. Irgend jemand, den man nach Triest versetzte, und der darüber wahrscheinlich nicht besonders glücklich war. Neuer Tag, neues Glück, neuer Ort, neue Mühe. Hauptsache war, daß Sgubins Nachfolger intelligenter war als dieser Tölpel. Dann würde er den Rest schon rasch genug begreifen.
    »Noch etwas«, sagte Laurenti. »Ich möchte, daß unsere Streifen eine junge, taubstumme Frau im Auge behalten.« Er beschrieb sie präzise. »Wenn sie sie irgendwo sehen, sollen sie durchgeben, wohin sie geht, woher sie kommt, mit wem sie spricht.«
    »Taubstumme sprechen nicht«, murmelte Sgubin, der schon halb aus dem Zimmer war.
    »Und auch auf Galvano sollen sie bei Gelegenheit ein Auge werfen. Ich bin etwas besorgt um den Alten. Seit er nicht mehr arbeitet, entwickelt er eigenartig menschliche Seiten. Ich möchte nicht, daß ihm etwas passiert.«
    Als Sgubin den vierten Versuch unternahm, das Büro des Chefs zu verlassen, kam er immerhin bis ins Vorzimmer. In der Tür zum Flur prallte er mit Marietta zusammen.
    »Ciao«, sagte sie leise und drückte sich an ihm vorbei. »Ist er schon da?«
    »Wer?« Sgubin verdrehte die Augen und verschwand.
    Mit einem unüberhörbaren Seufzer ließ Marietta sich auf ihren Stuhl fallen und schaltete den Computer ein. Die Sonnenbrille nahm sie nicht ab. Am liebsten hätte sie den Kopf auf die Schreibtischplatte gelegt und wäre auf der Stelle eingeschlafen. Sie war rundum glücklich. Bis vor einer Stunde war sie noch am Strand von Liburnia gewesen, wo sie die ganze Nacht verbracht hatte. Sie trug die Kleidung von vorgestern, die sie allerdings seit dem vorigen Abend nicht mehr am Leib, sondern am Ast eines Strauches aufgehängt hatte. Aus Treibholz hatten sie ein Lagerfeuer gemacht, gegrillt und viel Wein getrunken. Und dann die Mitternachtsbäder, wie früher, als alle noch jünger waren. Die großen Steinblöcke, die tagsüber von der Sonne aufgeheizt wurden, strahlten eine angenehme Wärme ab, und auf der riesigen Luftmatratze, die Riccardo, der Neue, angeschleppt hatte, konnte man prächtig ausruhen. Warum nur hatte sie nicht im Büro angerufen und sich krank gemeldet?
    »Marietta«, rief Laurenti. »Es ist dringend.«
    Seufzend erhob sie sich und ging hinüber. »Bitte!«
    »Wo sind die Kopien der Artikel über den Mordfall Perusini?«
    »Einen Moment.« Sie kam mit einer dünnen Mappe zurück.
    »Warst du im Archiv? Gibt es die Akte noch?«
    »Ich warte auf Nachricht. Aber ich frage gleich nach.«
    »Beeil dich.«
    »Man sagt bitte!« sagte Marietta vorwurfsvoll.
    »Danke«, sagte Laurenti.
    *
    Die Zeichen waren eindeutig. Sobald sie die nächste Zahlung geleistet hätte, würde man sie weiterschicken. Mit der anbrechenden Saison fehlten Leute weiter südlich. Von den Lidi Ferraresi bis hinunter nach Rimini, wo sich die Massen an langweiligen Sandstränden drängten, gab es jetzt mehr zu verdienen als in Triest. Der Chef war spät in der Nacht aufgetaucht und hatte Irina mitgeteilt, daß sie übermorgen weiterreisen sollte. Sie wußte,

Weitere Kostenlose Bücher