Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
mit der schmutzigen Hand einen Klaps auf die Schulter. Dann zog er dem Fisch die Haut ab und filetierte ihn mit professionellen Schnitten. »Magst du Fischtartar.«
    Santo zog es vor zu schweigen.
    Marco schnitt die Filets in feine Streifen und dann in kleinste Stückchen, hackte sie mit dem Küchenmesser, gab alles in eine große Schüssel und schmeckte ab. Dann stellte er auch diese kalt.
    »Diese Antipasti reichen für mindestens fünfzehn Personen. Was machen wir danach? Nichts vom Grill. Mittelmeer-Sushi vorneweg, schreit nach Tempura danach! Wir brauchen eiskaltes Bier, Mehl und Erdnußöl zum Frittieren. Alle Sorten Gemüse, auch Käse, und natürlich Fisch. Alles was ihr wollt, nur kein Fleisch. Wir müssen einkaufen. Patrizia, kommst du mit nach Santa Croce? Ich nehme an, Papà lädt die halbe Stadt ein.« Er drehte sich zu Santo und sagte: »Auf der Vespa ist leider nur Platz für zwei. Aber wenn du dich nützlich machen willst, dann sei doch bitte so lieb und putz die Küche. Wir sind gleich wieder da.«
    »Sei nicht so grausam zu Santo«, sagte Patrizia unterwegs. »Er ist ein prima Kerl.«
    »Zum Küssen«, sagte Marco und gab Gas.
    *
    Er hatte einige Telefonate erledigt und die Freunde zum Abendessen eingeladen. Einmal wenigstens blieb der Grill kalt. Laura hatte ihm am Telefon zwar ein paar Vorhaltungen gemacht, weil es Marcos einziger freier Tag war, doch dann hatte sie ihm auch gleich eine lange Liste von Dingen aufgezählt, die besorgt werden mußten. Laurenti sagte, sie solle die Kinder schicken, nur den Wein wollte er selbst bei Sandro Bibc bestellen, dem Winzer-Freund in Santa Croce, der den terrassierten Steilhang nebenan bestellte.
    Dann schlug er die Mappe mit den Artikeln aus dem Zeitungsarchiv auf. Es war Zeit, sich einen Überblick über den alten Fall zu verschaffen, den der Staatsanwalt ihm aufgebrummt hatte. »Diomio«, stöhnte Proteo Laurenti. »Marietta, ist das wirklich alles?«
    Seine Assistentin warf einen scheuen Blick herein. »Was?«
    Laurenti deutete auf die paar wenigen Kopien. »Es kann doch nicht sein, daß die damals nur einen Artikel über den Mord geschrieben haben. Sie treten doch sonst immer alles so lange aus, bis auch der letzte Trottel in der Stadt davon gehört hat.«
    »Es ist alles«, sagte Marietta. »Ich habe den Archivar mehrfach gefragt und auch mit dem Redakteur gesprochen, der den Artikel verfaßt hat. Du weißt ja, die meisten arbeiten noch länger dort, als du in Triest bist.«
    »Ein richtig junges Blatt. Also, mach’s kurz. Was hat er gesagt?«
    »Er erinnerte sich noch genau. Er sprach von einer Anweisung, die Sache klein zu halten, wußte aber natürlich nicht mehr, woher sie kam. Danach gab es nur noch eine kurze Notiz, daß man den Wagen des Professors ein paar Tage nach dem Mord in Venedig gefunden hatte, sowie einen Bericht über die Beerdigung, bei der viel Prominenz versammelt war. Viel Raum hingegen wurde zehn Jahre später dem Ausgang des Erbschaftsprozesses eingeräumt. Die Nichten hatten keine Chance gegen den Malteserorden gehabt, dem das gesamte Vermögen zugesprochen wurde.«
    Immerhin ein erster Anhaltspunkt, abgesehen von den zweifelhaften Auskünften Galvanos. Der Artikel, der über den Mord berichtete, war geschrieben worden, bevor die Anweisung kam, darüber zu schweigen. Laurenti las ihn zweimal durch: Der Volkskundeprofessor Gaetano Perusini war am 13. Juni 1977 in seiner Triestiner Wohnung umgebracht worden. Man fand ihn geknebelt und mit Hilfe eines Stromkabels an Händen und Beinen ans Bett gefesselt. Man hatte ihn etwa vierzig Stunden nach seinem Tod unter Kissen und Decken verborgen entdeckt, nachdem der Verwalter seines Weinguts, der berühmten Rocca Bernarda im Collio, jemanden geschickt hatte, weil der Professor sich nicht meldete. Die Wohnung befand sich in heilloser Unordnung, Licht brannte, neben dem Bett lagen seine rote Badehose und das leere Portemonnaie. Drei Gläser, eine Packung Kekse, eine Flasche Brandy und zwei Weinflaschen standen auf dem Tisch. Er war mißhandelt worden vor seinem Tod und hatte Prellungen am Körper. Ein Schneidezahn saß locker, vermutlich wegen des Knebels, den sich der arme Mann gewiß nicht freiwillig in den Mund hatte stecken lassen. Alles war genau so, wie Galvano es erzählt hatte.
    Der Schreibstil der siebziger Jahre war unverkennbar: Homosexualität sprach man nicht aus, sondern schrieb von »besonderen Bekanntschaften«, die der Herr gepflegt hatte. In fünf Taschenkalendern habe der

Weitere Kostenlose Bücher