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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Professor akkurat die Besuche seiner Bekannten vermerkt: Fischer, junge Süditaliener, Wehrpflichtige, Seeleute aus dem ehemaligen Jugoslawien. Bei jedem Namen stand eine verschlüsselte Nummernkombination. Offenbar hatte einer der Strichjungen das Auto des Professors geklaut; es war unauffindbar gewesen. Einige Seiten später, im Bericht über den Erbschaftsprozeß, stand, daß der Mann nur vierunddreißig Tage vor seinem Tod sein Testament zugunsten der Malteserritter geändert hatte, zwei Adlige aus dem Friaul konnten dies bezeugen.
    Als letztes Blatt fand Laurenti einen langen Artikel über den Fall Diego de Henriquez, über dem handschriftlich die Archivierungsanweisung zu lesen war, ihn in dieser Akte abzulegen. Laurenti überflog ihn. Er stammte aus dem Jahr 1989 und trug den Titel »Es war Brandstiftung«. Der fanatische Waffensammler und genaue Kenner der Stadtgeschichte war keinem Kurzschluß zum Opfer gefallen, wie es die ganzen Jahre über geheißen hatte. Der ermittelnde Carabinieri-Offizier, heute ein hohes Tier in Rom, hatte den Fall, den seine Vorgänger längst archiviert hatten, wieder aufgenommen und seine neue Untersuchung mit einem klaren Fazit abgeschlossen: De Henriquez war nicht das Opfer eines Unfalls. Zur Wiederaufnahme hatte 1988 ein Brief an die Staatsanwaltschaft geführt. Ein Cousin Perusinis behauptete, daß dieser auf eigene Faust Nachforschungen über die Todesumstände des Diego de Henriquez betrieben habe. Die Unterlagen seien aber seit dem Mord an Perusini spurlos verschwunden.
    Eine Tat, die vor 28 Jahren begangen wurde. Doch weshalb war, wie Staatsanwalt Scoglio sagte, die Akte aus dem Gerichtsarchiv verschwunden? Laurenti schüttelte sich. Elf Jahre nach dem Tod des Professors schrieb dessen Cousin einen Brief, der für die Ermittler von Belang gewesen wäre, als der Fall noch frisch war. Vermutlich war die Phantasie mit dem Verwandten durchgegangen. Wie sonst könnte man sich ein so langes Warten erklären? Laurenti wand sich. Er käme doch nicht umhin, sich weiter mit alten Akten zu beschäftigen. Und ausgerechnet in diesem Moment gellte ein schriller Schrei aus dem Nebenzimmer.
    »Wir haben sie!« Marietta kam freudestrahlend herein und knallte Laurenti ein in grünen Karton gebundenes Konvolut auf den Tisch. Ein muffiger Geruch machte sich breit. Laurenti wischte den Staub vom Aktendeckel. »Gaetano Perusini« stand darauf, und Datumstempel auf der Vorderseite zeigten an, wann die Akte in die Hand genommen worden war. Januar 1978, Februar 1979, November 1982, 1987 ohne Monat, Juli 1995 und Februar 1996. Laurenti runzelte die Stirn. Das Jahr 1988, in dem der Cousin Perusinis die Anzeige gemacht hatte, fehlte. Warum hatte sich damals niemand mit der Akte beschäftigt?
    »Gut gemacht«, sagte er zu Marietta. »Wo war sie?«
    »Ganz ordentlich eingeräumt. Nur unter dem Staub schwer zu erkennen.«
    »Eigenartig, findest du nicht? Nehmen wir einmal an, daß wirklich jemand die Originalakte aus dem Gerichtsarchiv verschwinden ließ, dann hat er nur halbe Arbeit geleistet.«
    »Entweder hat er nicht gewußt, daß wir ein eigenes Archiv haben, oder keinen Zugriff darauf gehabt.«
    Sgubin kam herein und zupfte eine Spinnwebe aus Mariettas Haar.
    »Was willst du?« fragte Laurenti.
    »›Toute de Suite‹ trägt hier keiner. In ganz Europa gibt es diese Marke nicht. Das ist hundertprozentig sicher«, sagte er wichtigtuerisch. »Und die DNA der zweiten Person im Val Rosandra habe ich auch.« Lässig lies er ein Blatt auf Laurentis Schreibtisch segeln. »Wenn es nach mir geht, dann lag der Slip nur zufällig dort in der Nähe. Durchs Val Rosandra kommen immer wieder Illegale. Sie wechseln die Unterhosen, sobald sie die Grenze hinter sich haben. Schon 1973 hat man dort drei tote Afrikaner gefunden, die illegal über die Grenze kamen. Die Armen sind erfroren, bevor sie die Stadt erreichten. Aber du warst damals ja noch ganz neu in Triest.«
    »Mein lieber Sgubin«, Laurenti faßte sich an den Kopf. »Manchmal zweifle ich an deinem Verstand. 1973 warst du keine zehn Jahre alt. Es ist großartig, daß du inzwischen herausbekommen hast, daß niemand hier die Marke kennt. Aber woher kommt sie? Welche Illegalen tragen solche Unterwäsche?«
    »Ich sagte bereits, daß ich mir sicher bin, daß dieser Calisto in die Sache verwickelt ist. Wenn du ihn mir ein bißchen länger überlassen hättest, wären wir weiter. Er ist heute übrigens mit deiner australischen Freundin auf einem Boot

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