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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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De Henriquez nennt in seinen Aufzeichnungen Kollaborateure, die von den Arisierungen profitierten. Einige dieser Personen sitzen in der Vereinigung der Veteranen des R.S.I, unverbesserliche Faschisten aus der Repubblica di Salò, die immer nur von Verdiensten um das Vaterland faseln, aber nie von den Verbrechen, die sie begangen haben. Sie versuchen krampfhaft, gesellschaftliche Anerkennung zu finden und finanziell den Kämpfern der Resistenza gleichgestellt zu werden. Ihre Chancen sind nicht einmal so schlecht, wenn du dir die Koalition in Rom anschaust. Die Faschisten sind auf dem Marsch zurück an die Macht. So, und ich werde ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Auch wenn diese Leute mindestens so alt sind wie ich und noch immer über exzellente Kontakte verfügen. Vergiß nicht, daß in Triest über fünfzig Personen leben, die über hundert Jahre alt sind, und sechzehntausend über Achtzig. Ich habe Dokumente gefunden, die einigen von ihnen das Kreuz brechen werden. Mir fehlen nur noch ein paar wenige Beweise und deshalb brauche ich jetzt dringend diese Akte.«
    Galvano zog mit beiden Händen an dem Konvolut, auf das sich Laurenti grinsend stützte.
    »Überanstrengen Sie sich nicht, Doc«, sagte Laurenti, dem die Weltverschwörungstheorien des Alten auf den Wecker gingen. Immer war Triest der Mittelpunkt. Trotzdem rätselte er, was von Galvanos Ausführungen wohl stimmen mochte. Der alte Gerichtsmediziner war zu aufgeregt, als daß es sich nur um eine Erfindung handeln konnte. »Sie können die Akte einsehen«, sagte Laurenti und sah, daß Galvano sich entspannte. »Aber nur hier in meinem Büro. Die Akte bleibt unter allen Umständen hier. Haben Sie das verstanden? Marietta wird sie bewachen, und wenn Sie versuchen sollten, mich auszutricksen und nur ein Blatt daraus zu entfernen, dann lasse ich Sie verhaften. Sie können den Besuchertisch benutzen.« Laurenti schob ihm den Packen hinüber. Galvano schaute ihn verblüfft an, als glaubte er nicht, daß Laurenti ihm die Akte wirklich überließ.
    »Übrigens wollte ich Sie für heute abend zum Essen einladen«, sagte Laurenti schließlich. »Mein Sohn kocht.«
    »Marco ist ein guter Junge«, sagte Galvano und ließ sich mit seinem Schatz am Besuchertisch nieder, »ich werde pünktlich kommen.«

Schwere Waffen
    Živa hatte ihn angerufen, als er bereits das Büro verlassen hatte und auf der Suche nach seinem Wagen war. Er war mehr als überrascht, als sie mitteilte, am Nachmittag unerwarteterweise in Triest zu sein, weil sie mit dem Oberstaatsanwalt ein paar Dinge besprechen mußte. Ob Laurenti Zeit und Lust hätte, sie zu sehen? Irgendwo, wo sie alleine wären.
    Er hatte leise in sich hineingeflucht. Warum ausgerechnet heute? Bis vor ein paar Wochen hatten sie ihre heimlichen Treffen sorgfältig geplant. Noch nie war Živa aus Pola nach Triest gekommen, ohne ihre Termine vorher mit ihm abzustimmen. Doch in der letzten Zeit war nichts mehr wie früher. Sie schien ihm auszuweichen. Ach nichts, hieß es, wenn er sie fragte, ob irgend etwas vorgefallen sei. Und dann nahm sie ihn zärtlich in die Arme und scherzte, daß er für einen Italiener aus dem Süden viel zu sensibel sei und die Jahre in Triest ihn zu weich gemacht hätten.
    Zu Hause das Abendessen, mit dem Marco brillieren sollte, und Živa in der Stadt. Ein bißchen viel auf einmal. Er schaute auf die Armbanduhr und schätzte die Möglichkeiten ab. Doch noch bevor er antworten konnte, sagte Živa, daß sie ihm beim besten Willen keine Probleme bereiten wolle und sie sich eben ein andermal sehen würden. Aber mit solchen Worten provozierte man bei Laurenti nur Widerspruch. In der neu sanierten Città vecchia, nur ein paar Meter von der Piazza Unità entfernt, hatte vor kurzem ein neues kleines Hotel eröffnet, das er einmal im Vorbeigehen wegen seines Namens besichtigt und mit dem Inhaber ein paar Worte gewechselt hatte. Eigenartig, daß nie zuvor jemand die Idee hatte, ein »Hotel James Joyce« in Triest zu eröffnen. Es hatte einfache, aber schöne Zimmer und stand da, wo Joyce, obwohl notorisch pleite, einst über elf Jahre seine Nora mit den Triestiner Hafennutten hintergangen hatte. Die Syphilis hatte er sich allerdings vorher schon in Dublin geholt.
    Alle anderen Hotels in der Stadt waren für Laurenti tabu, weil die Inhaber ihn kannten. Früher war »Bibc«, der nette Landgasthof in Santa Croce, eine Möglichkeit gewesen, doch seit die Familie Laurenti manchmal dort zu Abend aß, war es

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