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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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abgibst, bekommt sie deine Wohnung. Das heißt, mit dem Sarg kommt der Banker, was für ein Luxus. Andrade hatte bei mir seine Schlüssel hinterlegt, falls ihm etwas zustoßen würde.«
    »Aber hatte er nicht eine Tochter?«
    »Die Tochter ist gestorben.«
    Méndez riss die Augen auf.
    Mist, da war sie wieder, die Einsamkeit.
    Eine winzige Wohnung, ein graues Fenster, eine Katze von der Straße als Tochterersatz. Scheiße, dachte Méndez.
    »Geben Sie mir die Schlüssel für einen Tag, bevor die von der Bank die Tür zumauern lassen. Ich gebe sie Ihnen zurück.«
    Und Méndez suchte die Wohnung auf, um sich von der Zeit zu verabschieden, und musste feststellen, dass er sich in keinem Punkt geirrt hat. Da waren die winzigen Räume, die grauen Fenster und eine knatschige Katze, die seit Jahren um eine Hochzeitsnacht flehte.
    Ich werde mich wohl um sie kümmern müssen, dachte Méndez. Es gibt so viel Einsamkeit überall, da werde ich schon ein Zuhause für sie finden.
    Er sah die alten, von den Jahren zerfressenen Möbel voller Fingerspuren eines Greises, der nicht mehr an Veränderung geglaubt hatte. Er sah die Bücher, die Andrade seine letzten Gedanken diktiert hatten. Oder vielleicht nicht einmal das. Er sah den Stapel Mappen, in denen Andrade all die Akten über die Fälle mit Minderjährigen aufbewahrte, mit denen er im Verlauf seines Lebens betraut gewesen war. Damals, als Minderjährige das im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit auch noch waren. Wie viel Zeit war vergangen, wie viele Vorstellungen hatten sich verändert, und wie viele Minderjährige waren gestorben.
    Schön. Da war sie.
    Die Akte von Eva Expósito.
    Méndez war sich nicht sicher gewesen, dass er deshalb die Wohnung betreten hatte, aber er wusste auch nicht, was sonst der Grund gewesen sein konnte. Die Akte zeugte von der Einweisung in Besserungsanstalten, Rebellionen, Fluchten, Beteiligung an kleineren Straftaten und Haftbefehlen, aber keinerlei Anspielung auf ihr Sexualleben. Vielleicht war sie sogar als Jungfrau aus dem Sumpf hervorgegangen. Er sah auch die handgeschriebene Notiz von Andrade, die keinen Sinn ergab: »Miralles warnen.«
    Miralles?
    Méndez ließ alles so, wie es war – obwohl er sicher war, das alles in einem Container landen würde – aber dann verfinsterten sich seine Gedanken. Er verstand es nicht, Eva Expósito wurde von Miralles geschützt, so viel stand fest. Auch wenn man es vielleicht nicht beschützen nennen konnte, ihr Unterschlupf in einer kleinen Wohnung zu gewähren und sie zu zwingen, einen gefährlichen Beruf auszuüben, bei dem sie eines schönen Tages ihr Leben lassen würde.
    Aber in den Papieren war nicht mehr zu finden.
    Und nun?
    Méndez beschloss, das Ganze zu vergessen.
    Doch er konnte Miralles nicht vergessen, der einen der Mörder seines Sohnes – Omedes – getötet hatte und den anderen, diesen Leónidas Pérez, auch umbringen würde. Auch wenn alle Indizien darauf hindeuteten, dass Leónidas Pérez entschlossen war, ihm zuvorzukommen.
    Also beschloss er, sich weiter an Miralles’ Fersen zu heften, so wie er es ohnehin schon seit einiger Zeit getan hatte.
    Vorher rief er Loles auf dem Hauptkommissariat an.
    »Irgendwas Neues vom Disziplinarverfahren, Loles?«
    »Nichts, Méndez, aber ich habe bei den Kollegen Geld gesammelt. Die Hälfte davon ist für ein Abschiedsessen, und die andere Hälfte für Ihre Todesanzeige.«
    »Du bist wie eine Mutter zu mir, Loles.«
    »Ich würde eine viel bessere Mutter abgeben, wenn ich täte, was man hier von mir verlangt.«
    »Traut sich da überhaupt jemand? Um mit dir ins Bett zu gehen, braucht man mindestens drei Monate Vorbereitung.«
    »Ach, gehen Sie mir nicht auf den Zeiger, Méndez.«
    »Ich bin keine Gefahr. Ich bin erst zwei Monate dabei.«
    »Ach Méndez, ich sag’s noch mal, gehen Sie mir nicht auf den Zeiger. Und arbeiten Sie nicht zu viel.«
    Méndez beschloss, weiterhin nicht zu arbeiten.
    Er wusste, dass Miralles seinen freien Tag hatte, also würde er sich in der Nähe seiner Behausung postieren (die Kneipen in den Vierteln eigneten sich dafür ganz hervorragend) und ihn überwachen und verfolgen. Aber er war noch nicht mal an seinem Platz, als seine lange Erfahrung als Beobachter ihm sagte, dass noch jemand Miralles’ Haus überwachte.
    Méndez verharrte reglos mit starrem Schlangenblick.
    Er kannte den Kerl. Wenn Leónidas Pérez ihn angeheuert hatte, war das nicht gerade geschickt gewesen. Er hätte einen unauffälligeren Killer nehmen können

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