Der Todesbote
geschützt werden.
Bei jeder Tatortbesichtigung fällt auf, wie der Täter die geschockten Blicke der anwesenden Zeugen genießt. Die versteinerten Gesichter der vielen Beamten sprechen Bände, wenn sie Zeugen werden, wie er über seine Taten berichtet und sein mörderisches Handwerk demonstriert. Niemand kann verstehen, warum das Schicksal für manche Menschen so grausam sein kann.
Freizügig hat Onoprienko darüber berichtet, wie er junge Frauen erschoss und erschlug, wie er sie mit einem Messer tötete, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
Diese Menschen können sich nicht mehr gegen das Böse wehren. Ihre Leiber mussten erdulden, was mit ihnen geschah.
Sie mussten über sich ergehen lassen, was sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen konnten. Wehrlos waren sie den Machenschaften einer Bestie ausgeliefert. Sie warteten in unsäglichem Schmerz auf ihren Tod und wollten doch nur eines, nämlich leben.
Der Konvoi von Dienstfahrzeugen macht sich auf den Weg in den Osten des Landes. Ein kleines Dorf ist das Ziel der Reise. Den begleitenden Beamten ist nicht wohl bei dieser Fahrt. Immer wieder betrachten sie Onoprienko, dem man zum Schutz vor Übergriffen diesmal eine schusssichere Weste angezogen hat. Die meisten Sicherheitsbeamten beneiden ihn und hätten die Jacke wohl lieber selbst am Leib getragen.
Nach über zwei Stunden Fahrt ist das kleine Dorf erreicht.
Der Konvoi bleibt am Dorfrand stehen. Nur ein privates Fahrzeug fährt zu dem Anwesen, in dem die Tat geschah. Man will sichergehen, dass sich keine Menschenmenge vor dem Haus versammelt hat.
Doch offensichtlich ist es gelungen, den Termin der Tatrekonstruktion geheim zu halten. Längst sind die Männer des Ortes zur Arbeit gefahren. Nur einige Frauen sind auf der Dorfstraße zu sehen. Ein Bus mit mindestens 40 Beamten wird als Vorhut losgeschickt, um das Anwesen abzusichern. Dann erst bringt man Onoprienko an die Stätte des Grauens.
Lässig betritt er das kleine Grundstück. Vor dem Haus hatten die Eigentümer eine kleine Holzveranda angebaut. Es sollte ein Platz der Entspannung sein. In Wirklichkeit wurde sie zum Schauplatz des Schreckens.
Onoprienko verhält sich völlig ruhig, als man ihn zu diesem Vorplatz des Hauses führt. Er genießt wieder einmal die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Er erfreut sich offensichtlich am Entsetzen seiner Begleiter. Man gibt ihm die Attrappe eines Holzgewehres, damit er den Begleitern demonstrieren kann, von welcher Stelle er seine Opfer erschossen hat. Lässig nimmt er sie in die Hand und zeigt an die Stelle, an der er sein Opfer angetroffen hat.
»Hier stand die Frau. Direkt an der Haustür.«
Dabei nimmt er die Attrappe in die Hand und deutet auf die besagte Stelle. Ein Beamter wird gerufen, um eine mitgebrachte, menschengroße Strohpuppe herbeizuholen. Der Beamte stellt sie an die angegebene Stelle.
Onoprienko ist vollauf darauf konzentriert, sein »Gewehr« in die richtige Stellung zu bringen. Er führt es zur Hüfte und hält den Schaft in Richtung der Puppe.
»Als ich die Frau sah, habe ich sofort auf sie geschossen. So wie jetzt, direkt aus der Hüfte. Sie hatte einen Säugling auf dem Arm, doch das störte mich nicht. Als dieser durch den Sturz der Mutter zu Boden fiel, weil die Mutter von der Kugel getroffen war, tötete ich auch diesen Säugling mit nur einem einzigen Schuss.«
Einer der Beamten kommt um die Frage nicht herum: »Wie kann man einen Säugling töten?«
»Ganz einfach: durch einen gezielten Schuss – oder durch einen Stich mit dem Messer mitten ins Herz. Das überlasse ich ihrer Fantasie.«
Noch einmal betrachten die Beamten die Bilder, die nach der Tat aufgenommen wurden. Sie sehen die tote Mutter und den weit geöffneten Mund des Säuglings an ihrer Brust. Ein Bild wie aus Kriegstagen.
Für Anatolij Onoprienko ist das Thema mit dem Säugling beendet. Er berichtet nun, wie sich das Opfer verhalten hat, als es ihn sah und spricht über dessen Reaktionen. Offensichtlich für alle durchlebt er die Situation des Tattages nochmals.
Immer wieder bestätigt er, dass die junge Frau auf dieser Holzterrasse stand, als er feuerte.
»Doch leider war sie nicht gleich tot. Ich muss sie wohl nicht richtig getroffen haben. Das ärgerte mich sehr. Denn ich wollte doch keinen unnötigen Lärm machen in diesem kleinen Dorf.
Ich sah nur, dass sie sich an den Leib fasste und mich mit großen Augen ansah.«
»Hat diese Frau denn nicht um Hilfe geschrien?«
»Nein, ganz
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