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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Erklärung mehr darüber abgeben. Er wird keine Gelegenheit mehr haben, sich im Licht der Scheinwerfer zu sonnen und vor Kameras zu posieren. Nun wird ihm sein arrogantes Grinsen vergehen. Er wird keine Weisheiten mehr von sich geben können, die die Opfer beleidigen. Was die Ukraine an härtester Strafvollstreckung zu bieten hat, wird ihm widerfahren. Er wird in seinem Leben niemals wieder irgendwelche Vorteile erhalten. Er soll büßen bis an sein bitteres Ende. Glauben Sie mir das.«
    Dies ist die Auskunft eines hohen Offiziers des Gefängnisses, der damit erklärt, warum Anatolij Onoprienko meinen Brief nicht beantwortet hat und aller Voraussicht nie mehr beantworten wird.
    »Vielleicht gebe ich Ihnen noch einmal die Möglichkeit, Anatolij Onoprienko zu sehen. Aber lassen Sie einige Zeit verstreichen, und ich versichere Ihnen, Sie werden einen anderen Gefangenen erleben als den, den Sie kennen. So klein
    – und dabei zeigt er mit seinen riesigen Pranken auf circa einen Meter über den Boden – wird er werden. Lassen Sie mir nur etwas Zeit.«

Onoprienko und seine Macht
    über die Frauen

    Anatolij Onoprienko ist kein Adonis. Mit seinen knapp 1,60 m erscheint er klein und zierlich, obwohl sein Körper durchtrainiert ist. Im ersten Augenblick wirkt er verletzlich, vielleicht sogar schutzbedürftig auf manche Frau. Seine Gestik und sein Auftreten sprechen eine andere Sprache. Wortgewandt meistert er jede Situation. Aufgrund seiner zahlreichen Reisen durch ganz Europa versteht er es, Aufmerksamkeit bei der Damenwelt zu erlangen. Wer in den kleinen Dörfern und auch Städten dieses Landes kann der armen Bevölkerung schon von Erlebnissen aus Spanien und Italien, ja sogar aus ganz Europa berichten. Neidvoll scheinen die Blicke der männlichen Zuhörer bei Onoprienkos zahlreichen Reiseerzählungen.
    Anatolij Onoprienko ist das sehr bewusst. Und er hat längst erkannt, dass Frauenherzen bei Geschenken höher schlagen. So bringt er jeder Angebeteten bei einem Rendezvous Blumen mit, oft auch kleinere Schmuckstücke. Woher sie kommen –
    keine der Beschenkten weiß es.
    Das Haar wird lichter, die Stirne immer höher und seine Sensibilität immer ausgeprägter. Seine erste Ehe ist längst Vergangenheit. Für seinen Sohn aus dieser gemeinsamen Zeit interessiert er sich nicht. Denn er ist ständig auf der Jagd. Auf der Jagd nach Frauen.
    Onoprienko war vier Jahre mit der attraktiven jungen Irina verheiratet. Sie steht an einem Hafenkai in Hamburg und hält das Bild ihres gemeinsamen Sohnes in der Hand. »Das Bild unseres Kindes, das ich immer bei mir trage«, wie sie sagt. Sie arbeitet noch heute als Kellnerin auf der »Maxim Gorkij«, einem Schiff, benannt nach dem großen alten Mann der Sowjetliteratur. Auch ihr Mann Anatolij hatte vor 10 Jahren als Matrose auf diesem Schiff gearbeitet. Der mächtige Luxusliner, vormals Aushängeschild der früheren Sowjetunion, liegt im Trockendock zu Inspektions- und Reparaturarbeiten im Hamburger Hafen.
    Auf diesem imposanten Luxusliner sollen, so Onoprienko, seine grauenhaften und monströsen Mordfantasien erwacht sein.
    »Hier habe ich den Reichtum vieler Menschen gesehen«, erzählte er damals seinem Freund, der sich heute dafür schämt ihn gekannt zu haben.
    »Ich habe niemals verstanden, warum es Menschen geben soll, die das Leben in allem Überfluss genießen können.
    Warum kann ich nicht solch ein privilegiertes Leben führen wie diese Menschen hier auf Deck? Sind sie etwas Besseres als ich?«, fragte er sich immer wieder.
    Später berichtet Onoprienko in einem Interview über diese Zeit: »Ich konnte sie nicht mehr sehen, diese fetten Menschen, die schon am Vormittag Sekt tranken und Kaviar mit Esslöffeln in sich hineinstopften. Es widerte mich förmlich an.
    Sie lachten über uns. Sie alle hatten nur bemitleidenswerte Blicke für uns kleine Matrosen in Uniform übrig. Ich erinnere mich noch sehr genau daran. Noch immer sehe ich diese fetten Weiber, die mit ihrem Schmuck prahlten, als gehöre ihnen die Welt. Schon damals stand mein Entschluss fest, dies und vieles mehr auf dieser ungerechten Welt zu verändern.«
    Als man ihn fragt, wie er sich denn diese Weltverbesserung zu diesem Zeitpunkt vorgestellt habe, winkt er lässig mit einer Handbewegung ab: »Damals wusste ich es selbst noch nicht.
    Ich war verheiratet und hatte ein Kind. Ich wusste nur eines: Mit meiner Arbeit würde ich dies wohl nie erreichen können.
    Also dachte ich über dieses Problem sehr, sehr lange

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