Der Todesbote
hat.«
»Hat er dir erzählt, wo er sie gelernt hat?«, will man von ihm wissen.
Und er hat auch gleich eine Antwort parat: »Das hat er bei der Armee gelernt. Denn er war als Einzelkämpfer ausgebildet, und die lernen so etwas. Meine Freunde staunten nicht schlecht, als ich ihnen die gelernten Griffe vorführte.«
»Hast du auch Geschenke von ihm erhalten?«
»Ja, fast jedes Mal, wenn er von seinen Geschäftsreisen zurückkam, brachte er uns etwas mit. Er war wie ein richtiger Vater zu mir.«
Dabei gerät der Junge ins Schwärmen: »An meinen letzten Geburtstag erinnere ich mich besonders gerne zurück. Es war das schönste Geburtstagsfest meines Lebens. Er hatte alles ganz toll dekoriert, mit Luftschlangen und Luftballons und so.
Ich habe auch viele Geschenke bekommen. Und er hat mir versprochen, mit uns eine Reise nach Griechenland zu machen.«
Man sieht dem aufgeweckten Jungen an, wie sehr er ihn vermisst. Ohne Aufforderung erzählt er voller Bewunderung und mit Wehmut in der Stimme: »Er war der beste Vater, den man sich vorstellen kann«, und sein Gesichtsausdruck wird traurig.
Beeindruckt von den Aussagen der Kinder mischt sich die Mutter in das Gespräch ein. Sie hat offensichtlich Angst, dass man die Kinder mehr fragen würde, als ihr recht wäre. Doch man will die Kinderträume nicht zerstören. Man denkt unwillkürlich zurück an die Aussagen, die dieser Mann in seinem Interview gemacht hat. Und man denkt an das, was der Mann den anderen Mädchen und Jungen angetan hat.
Anna Kosak genoss die Aufmerksamkeiten ihres neuen Lebenspartners sehr, ebenso seine Geschenke. Welche Frau wäre nicht entzückt gewesen, von einem solch aufmerksamen Verlobten mit Geschenken überhäuft zu werden.
Wen wundert, wenn sie noch heute darüber mit glänzenden Augen berichtet: »Es gefiel ihm, mir immer drei ähnliche Dinge auf einmal zu schenken. Als er mir drei Ringe von seiner Reise mitbrachte, waren es drei ähnliche silberne Ringe. Oder drei goldene Eheringe. Alle in derselben Größe. Die habe ich auch immer so getragen. Drei goldene an der linken Hand. Drei silberne an der rechten Hand … Ich war sehr stolz und dankbar. Wir leben hier in Jaworiw, einem kleinen armen Dorf.
Die meisten Männer hier schuften auf den Feldern und können doch ihre Familien nicht ernähren. Er war nie gewalttätig gegen mich und gegen meine Kinder. Ich würde eher sagen, er war zärtlich und sanft. Morgens kleidete er mich manchmal an.
Er holte mich mit Blumen von der Arbeit ab. Abends ließ er mir mein Badewasser ein. Auch die Kinder liebte er. Er kaufte ihnen zwei Wellensittiche und organisierte für meinen Sohn eine Geburtstagsparty im Kindergarten. Als ihn der Junge darauf zum ersten Mal ›Papa‹ nannte, sagte er, er wäre noch nie so stolz in seinem Leben gewesen wie in diesem Augenblick. Er war wirklich der Mann, den ich mir mein ganzes Leben lang erträumt hatte. Wenn ich an unsere gemeinsame Zeit zurückdenke, bin ich mir ganz sicher, dass ich keinen Grund hatte, Verdacht zu schöpfen.«
Aus der flüchtigen Bekanntschaft wurde Liebe, und es erwachte die Leidenschaft. Anatolij Onoprienko hat ihr Leben verändert. Sie liebte und vertraute ihm. Sie wollten eine gemeinsame Zukunft aufbauen. »Er sprach oft davon, dass wir bald heiraten werden. Er versprach mir und meinen Kindern eine Zukunft im Westen.«
Bis zu dem Augenblick, der ihr Leben schlagartig verändern sollte. Die Behörden offenbarten ihr eine andere Wahrheit über diesen Mann, den sie so sehr liebte. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass ihr Traummann der größte Serienkiller der Ukraine ist.
»Ich habe nächtelang geheult, als ich erfuhr, was er angeblich getan hat«, erinnert sie sich. »Immer wieder hoffte ich, dass sich die Polizei irrt und sich alles noch zum Guten wendet, und dass mein Geliebter Anatolij unschuldig ist.«
Nach einiger Zeit berichtet sie weiter: »Dann folgte das Warten, das endlose Warten. Doch die Untersuchungen der Polizei sprachen gegen ihn. Ich bin mit der Angst, ihn für immer verloren zu haben, eingeschlafen und morgens mit ihr aufgewacht. Jede Umarmung, jede Zärtlichkeit wurde zur Vergangenheit. Auch mit geheimen Selbstmordgedanken habe ich schon gespielt. Doch die Verantwortung meinen Kinder gegenüber ließ das nicht zu. Ich tat es nicht. Doch ich fragte mich jeden Tag und jede Nacht, was mich eigentlich noch am Leben hält. Er war der beste Mann der Welt, ein Mann, den sich eine Frau mit zwei Kindern nur erträumen
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