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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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verhüllen. Das brauche ich nicht, jeder Mensch kann mich sehen: mich, den gnadenlosen Henker unserer Generation. Ich habe mich selbst dazu gemacht, um den Menschen zu helfen und sie zu lehren. Auch bin ich zum Henker meiner eigenen Seele geworden. Dies ist das Fürchterlichste, das es gibt, wenn man seine eigene Seele wie ich hinrichten muss. Das scharfe Beil der Gerechtigkeit wurde mir von Menschen genommen. Doch ich werde wieder kommen auf diese Welt. Und wenn meine Befehle lauten, die ganze Welt hinzurichten, werde ich keine Sekunde zögern, den Befehl auszuführen.«

    »Wenn Sie hier auf dieser Erde ein neues Leben beginnen könnten, was würden Sie gegenüber ihrem alten Leben ändern?«
    »Ich will kein neues Leben beginnen. Ich habe meine Seele schrecklich gequält. Sie wollte leben, doch ich ließ sie nicht.
    Meine Seele wollte immer ein Mensch werden, doch meine Vernunft sagte Nein. Ich wusste und ich bekenne: Ich bin ein Teufel. Deshalb gab es in meinem Innersten stets einen ewigen Kampf. Ich hasse das körperliche Leben.«

    » Welchen Körper wünschen Sie sich für Ihre Seele?«
    »In meinem vorigen Leben war ich ein Deutscher. Als ich in Griechenland lebte, hatte ich absolut alles, was sich ein Mensch so wünscht: Geld, Autos und Frauen. Aber als ich in die Schweiz kam, hatte ich das Gefühl, ich sei im Paradies. Das war im vorigen Leben. In der Zukunft will ich nicht leben. Ich möchte als Geist zurückkehren und die Welt unerkannt erleben.«

    Wiederholt drängt die Gefängnisleitung auf ein Ende des Interviews. Durch Gesten geben sie zu verstehen, dass die Zeit abgelaufen ist, die man zur Verfügung stellte.

    Als Anatolij Onoprienko merkt, dass das Gespräch sich dem Ende zuneigt, will er noch eines ausführen: »Keines meiner Opfer, weder Mann noch Frau, hat eine Reaktion gezeigt.
    Keiner wollte sich wehren. Und dies waren meine einmaligen Erkenntnisse in der Geschichte der Menschheit. Das hat leider bisher noch niemand so gesehen. Der Mensch ist ein Nichts: wie Watte, ein Vakuum. Ich habe nur Watte gesehen. Meine Vorstellung von den Menschen: Sie sind wie Sand. Es gibt so viel Sand an den Stränden der Welt. Und genau so sind sie –
    einfach Sand.«

    Mit diesen Worten geht eine der wohl spektakulärsten Stunden im Leben eines Journalisten zu Ende. Das Einpacken der Geräte wird zur Routine. Quälende Fragen bleiben unbeantwortet, und doch ist man froh, ein wenig über einen außergewöhnlichen Menschen erfahren zu haben. Die tiefen Ringe unter den Augen, die die vergangene, schlaflose Nacht gezeichnet hat, lassen sich noch deutlich erkennen. Man ist müde und angeschlagen, doch nur körperlich. Denn der Geist ist nach diesem Interview hellwach, und die rotierenden Gedanken werden auch die kommende Nacht nicht zur Ruhe kommen.
    Längst ist das mitgebrachte Gepäck vor der Zelle deponiert, und die Beamten drängen zur Eile. Noch einmal betritt man die Zelle und steht dem größten Schlächter der Ukraine bewusst gegenüber. Selbstgefällig hat er Audienz gegeben. Niemand hat ihm widersprochen. Keiner der Anwesenden hat gezeigt, was er von dieser Bestie hält, obwohl ihm viele gerne ins Gesicht geschlagen hätten. In solchen Augenblicken denkt man an die Worte der Angehörigen der Opfer: »Sie sehen ihn doch, Sie sind sicher ganz in seiner Nähe. Erschlagen Sie dieses Schwein, töten Sie ihn, wie er unsere Angehörigen getötet hat.«
    Es heißt Abschied nehmen von Anatolij Onoprienko. Ein ungutes Gefühl kommt auf, einem solchen Menschen »Auf Wiedersehen« sagen zu müssen. Noch einmal fixiert er seinen Besucher. Er versucht herauszufinden, ob seine Worte die nötige Wirkung erreicht haben oder nicht. Es scheint ihm wichtig zu sein, dem Besucher noch einmal tief in die Augen zu schauen. Wie mit einer Art Hypnose versucht er, sein Gegenüber in seinen Bann zu ziehen. Erst als er seine Hand zum Abschied ausstreckt und keine Erwiderung erfährt, begreift er, wie widerwärtig und abstoßend man ihn findet.
    Man ist erleichtert, als die schwere Gefängnistüre wieder geschlossen wird. Onoprienko wird wieder aus der Gemeinschaft entfernt.
    »Nun haben Sie ihn erlebt, den Teufel der Ukraine.
    Unglaublich, was dieser kleine Wicht den Menschen dieses Landes angetan hat«, macht ein Hüne von Bewacher seinem Ärger Luft. Dass auch er trotz seiner Statur und Größe gegen die Waffen dieses Monsters nichts hätte ausrichten können, will er nicht wahrhaben.
    Die großen Eisentore der Festung von Zhitomir

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