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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Aufnahmen seines Vaters aus dem Gerichtssaal sah, weiß er, dass er der Sohn des größten Serienmörders des Landes Ukraine ist.«
    »Ungeheuer«, der »Terminator des Schreckens« lauten die Titulierungen der Presse für seinen Vater. Doch der Junge hört noch weitaus schlimmere Schimpfworte über den Menschen, den er so vermisste.
    Immer mehr zieht er sich in sich zurück, und er will auch keinen Menschen an sich heranlassen. Er hat niemanden, der ihm seelischen Beistand leisten könnte in dieser schweren Zeit.
    »Nachts schreit er sehr oft«, berichtet seine Pflegemutter.
    »Doch man kann kaum etwas verstehen von alledem, was er spricht. Bis auf ein einziges Wort – das Wort ›Vater‹, das aus seinem Munde wie eine Hymne klingt.«
    »Wenn ich ihm das Frühstück serviere«, berichtet seine Pflegemutter mit sorgenvollem Blick weiter, »sieht er mich ganz merkwürdig an und spricht kein Wort. Er hat sich völlig verändert. Früher strahlten mich zwei glückliche Kinderaugen an. Heute weiß ich nicht mehr seine Blicke zu deuten. Sie machen mir Angst. Unglaubliche Furcht überfällt mich, wenn ich in seine plötzlich eiskalten Augen sehe. Sie strahlen Hass und unsägliche Wut gegen alles aus. Das ist doch nicht normal für einen Jungen seines Alters.«
    Nach einer kurzen Pause fährt sie fort: »Dimitrij versetzt mich jeden Tag mehr in Angst und Schrecken.«
    »Was befürchten Sie?«, will man von ihr wissen?
    »Alles!« Dann beginnt sie stotternd zu erzählen: »Seit er die Fernsehberichte gesehen hat, reagiert er zunehmend aggressiver. Ich bin mit der Erziehung längst überfordert. Ich fühle mich wie ausgelaugt. Ich kann das bald nicht mehr ertragen. Vor allem die ständige Angst, wie es mit dem Jungen weitergehen wird. Wie gesagt, ich bin am Ende. Ich bin restlos überfordert mit dieser Situation. Ich glaube, der Junge müsste in ärztliche Behandlung. Aber für eine dringend notwendige Therapie fehlt mir das Geld.«
    Sie holt ein Schultagebuch Dimitrijs aus einer Schublade, schlägt es auf und deutet auf die vielen Seiten, auf der die Lehrer ihre Bemerkungen über den Schüler eingetragen haben:
    »Sehen sie her, hier bestätigen die Lehrerinnen, dass er nur lauter schlechte Noten hat. Er hat fast in allen Fächern eine Fünf. Er hat sogar einmal versucht, dies eigenhändig zu vertuschen.«
    Seine Pflegemutter Galina Leonidowna versteht das Verhalten des Jungen nicht mehr. Er unterschreibt seit einiger Zeit nur noch mit dem Namen Onoprienko und nicht mehr wie bisher mit dem Mädchennamen seiner Mutter. Sie fragt ihn, warum er das tut.
    Seine klare Antwort: »Ich werde später meine Mutter befragen, was dieser Name bedeutet. Bis dahin werde ich in Zukunft mit dem Namen Onoprienko unterschreiben.«
    »Hier sehen Sie«, sagt die Pflegemutter und deutet auf eine Seite seines Schulheftes, »hier hat er voller Stolz den Namen seines Vaters eingetragen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Er war immer so ein lieber Junge, und jetzt redet er nur noch von Gewalt. Er geht in den Sportverein und trainiert seine Muskeln.
    Er hat sich so verändert, ich könnte Tag und Nacht weinen.«
    Die Frau schlägt die Hände vor das Gesicht. Immer wieder schüttelt sie den Kopf. Sie weint. Die Tränen laufen über ihr Gesicht. Das Ende einer Kindererziehung, die so verheißungsvoll begann? Voller Verzweiflung fragt sie sich ratlos: »Er war so ein lieber, fröhlicher Junge. Was wird jetzt aus ihm?«
    »Ich bin am Ende«, wiederholt sie und berichtet weiter: »Ich habe solche Angst vor ihm – und das vor einem 13-jährigen Jungen –, dass ich nachts meine Schlafzimmertür versperre. Ich habe mir sogar ein Sicherheitsschloss einbauen lassen.
    Neuerdings verschließe ich auch sämtliche Schränke. Das kann doch kein Mensch ertragen.«
    »Doch ich habe immer noch die Hoffnung«, fährt Galina Leonidowna, seine Pflegemutter, fort, »dass er sich auch wieder ändern wird. Ich nehme ihn oft mit zu mir in die Musikschule, besonders immer dann, wenn wir etwas zu feiern haben. Irgendwann hat er tanzen gelernt. Ich hoffte immer wieder, er würde weitermachen. Aber eines Tages bei einem Schulfest hat eine ältere Kollegin zu mir gesagt: ›Galina, haben Sie bemerkt, mit welch bösen Augen Sie der Junge ansieht? Sie müssen aufpassen. Wenn Ihnen etwas passieren sollte, wissen wir ganz genau, dass dies nur Dimitrij gewesen sein kann.‹
    Viele haben mir gesagt, er habe einen außergewöhnlich bösen Blick und kalte Augen. Im Großen und Ganzen

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