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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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nicht begreifen.«
    »Gut. Dann versuchen Sie uns doch zu erklären, warum Sie auch Frauen und Kinder getötet haben?«
    »Weil ich den Auftrag dazu hatte. Zu mir wurde nicht gesagt: ›Du sollst nur Männer töten‹. Es war meine Pflicht, und ich habe es erledigt. Ich bin jedoch bereit, Ihnen ein Beispiel meiner Impfungen zu dokumentieren, damit sie daraus ersehen können, wie gewissenhaft ich meine Aufgabe erfüllt habe. Am 25. Dezember fuhr ich nach Malinsk. Ich schlich mich an ein neu gebautes Haus heran. Es hingen noch keine Vorhänge. So konnte ich durch das Fenster sehen und darauf warten, bis alle schliefen. Dann klopfte ich an die Türe. Verschlafen öffnete mir der Hausherr. Ich erschoss ihn sofort. Dann kam ein Junge an die Türe, er muss die Schüsse gehört haben, und es krachte erneut. In einem kurzen Nachthemd kam dann seine Mutter und flehte mich an, als sie ihren Mann und ihren Sohn in ihrem Blut auf dem Boden liegen sah: ›Bitte nicht schießen. Bitte nicht schießen. Bitte, bitte.‹ Ich erfüllte ihr ihre Bitte und erschlug sie mit einem Prügel, den ich vor dem Haus fand und vorsichtshalber mitgenommen hatte.«
    Die Zuhörer sind geschockt von den kaltblütigen Ausführungen Onoprienkos.
    Es vergehen Minuten des Schweigens, bis der Psychiater sich wieder gefasst hat und ihn fragt: »Ist es richtig, dass Sie die Frauen, die Sie töteten, auch vergewaltigt haben?«
    Onoprienko wirkt äußerst gefasst und konzentriert bei der Antwort auf diese Frage. Er faltet die Hände wie zu einem Gebet und sagt: »Als ich diese Frau in Malinsk zum Beispiel erschlagen habe, und da war sie sicher schon tot, habe ich sie benutzt.«
    »Also haben Sie diese arme Frau, selbst als Sie schon tot war, missbraucht. Finden Sie das normal?«
    Onoprienko erhebt sich von seinem Stuhl, was den Sicherheitsbeamten missfällt. Sie versuchen, ihn wieder auf seinen Stuhl niederzudrücken, doch er protestiert lauthals. »Ich möchte diese Frage im Stehen beantworten! Damit mich alle in diesem Saale hören und vielleicht verstehen können.«
    »Lassen Sie mal«, der Psychiater deutet den Sicherheitsbeamten an, Onoprienko stehen zu lassen.
    Onoprienko hebt seine gefesselten Hände in Kopfhöhe, deutet mit dem Zeigefinger auf den Psychiater und sagt: »Ob es normal ist oder nicht, das herauszufinden ist Ihre Aufgabe.
    Nicht meine!«
    »Ich kann Ihnen nur sagen«, fährt er mit seiner Rede fort,
    »ich habe bei allem, was ich tat, dabei genauso eine Selbstanalyse durchgeführt wie bei diesem Gespräch. Das war sehr außergewöhnlich, wenn ich daran zurückdenke …«

    »Waren Sie betrunken, als Sie die Taten ausführten?«, wird er unterbrochen.
    »Nein, nie. Ich war nicht betrunken, ich war ganz klar im Kopf. Ich bin ein Mensch, ja sogar ein Supermensch, habe ich damals festgestellt. Und dabei tue ich so etwas. Ich habe mich dabei selbst von der Seite beobachtet und fand das ganz interessant und wirklich außergewöhnlich.«
    Dann unterbricht Onoprienko seine Rede und blickt jeden der Zuhörer einzeln an. Nach einer Weile berichtet er weiter:
    »Ich bin nicht wie all die Täter, die schon vor Ihnen gestanden haben«, versucht er seinen Zuhörern zu erklären, »Ich bin ein Supermensch. Ein Wissenschaftler von besonderer Güte.
    Meine Aufgabe war es, die Menschen zu untersuchen, die ich tötete. Genauestens zu untersuchen, verstehen Sie?«
    Dann dreht er sich zu dem Psychiater und teilt ihm unmissverständlich mit: »Ich möchte jetzt Schluss machen.«
    »Wir hätten aber noch so viele Fragen an Sie«, versucht der Psychiater, Onoprienko von seinem Vorhaben abzubringen.
    »Aber ich keine Antworten mehr«, stellt er energisch fest und steht erneut von seinem Platz auf. Er bittet die Sicherheitsbeamten, ihn wieder in seine Zelle zurückzubringen.
    Die verdutzten Polizisten blicken den Psychiater an, der nur mit dem Kopf nickt.
    »Einen Anatolij Onoprienko zwingt man nicht zu Antworten, die er nicht geben will«, sagt er beim Verlassen des Raumes und verschwindet.
    Zurück bleibt ein verdutzter, hilflos wirkender Psychiater, der nun seinen Zuhörern vergebens versucht, das Verhalten Onoprienkos zu erklären.

    Gibt es ein religiöses Mordmuster?

    Viele selbst ernannte Forscher beschäftigen sich mittlerweile mit dem Aufsehen erregenden Fall Anatolij Onoprienko. Sie haben zumindest eine gewisse Logik in Onoprienkos unbegreiflichen Taten entdeckt. Vor allem Journalisten, die immer wieder von ihren Redaktionen genötigt werden, Neues in

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