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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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diesem Fall zu liefern, kommen auf die ungewöhnlichsten Gedankengänge. Stolz verkündet ein Reporter vor der Fernsehkamera: »Anatolij Onoprienko tötete im religiöswahnsinnigen Mordmuster des blutigen Kreuzes.« Stolz verkündet er seine neuesten Erkenntnisse: »Wenn man die verschiedenen Tatorte mit Linien verbindet, ergeben sich immer wieder Kreuze, quer durch die Ukraine. So, als wolle der Täter das Land ausradieren.«
    Dabei hält er eine Landkarte der Ukraine vor die Kamera, die von einem riesigen, über dem Land liegenden Kreuz beherrscht wird. Es ist 400 Kilometer lang und fast 250
    Kilometer breit. Von der Stadt Oljewsk, die vier Tote zu beklagen hatte, nahe der polnischen Grenze, bis nach Wassiljewka mit ebenfalls vier Opfern im Süden des Landes erstreckt sich der Längsbalken. Im unteren Drittel wird die Stadt Malinsk eingetragen mit neun Toten. An der oberen Seite des Balkens wird die Stadt Dnjepropetrowsk mit zwei Toten angegeben. Der Querbalken des Kreuzes erstreckt sich von Sumy mit zwei Toten bis zur Stadt Odessa, in der der Täter drei Menschen bestialisch ermordete. Die Grafik lässt keinen Zweifel, Onoprienko tötete im »Zeichen des blutigen Kreuzes«.
    Die sehr religiösen Menschen in der Ukraine bekreuzigen sich auf der Straße, als sie die Bilder und Überschriften in ihrer Tageszeitung sehen. Hysterie macht sich breit, und die Geistlichen des Landes haben Mühe, ihren Schäflein eine Erklärung zu geben. Immer wieder fällt der Name Jesus Christus im Zusammenhang mit dem Namen einer Ausgeburt unserer Gesellschaft. Niemand achtet darauf, dass auf dieser Landkarte nur 24 Opfer eingetragen wurden. Dabei liegt zu diesem Zeitpunkt längst das Geständnis des Täters Anatolij Onoprienko vor, in dem er 52 Morde gestanden hat.
    Fügt man die Tatorte der restlichen Opfer in die Landkarte ein, ist von einem Zeichen des Kreuzes nichts mehr zu erkennen. Man kann nur eines erkennen auf dieser blutigen Landkarte: Onoprienko suchte seine Opfer unwillkürlich im ganzen Lande. Seine grausame Spur zog er wahllos, nur von der Lust zu töten getrieben, durch das ganze Land Ukraine.

    Als Anatolij von den Leitartikeln in den Tageszeitungen erfuhr, hatte man ihm eine neue Variante der Darstellung seiner Taten geliefert. Er erkannte, dass nun wieder einmal sein schauspielerisches Talent gefragt sei. Denn noch viele Menschen aus der Bevölkerung fragten sich, ob es wirklich ein religiöses Mordmuster für seine Taten gibt.
    Vielleicht wurde er erst durch die Journalisten darauf aufmerksam gemacht. »Himmlische Kräfte haben mich geleitet. Meine Tatorte habe ich mir auf einer Karte der Ukraine ausgesucht. Ihre Lage soll an die Form eines Kreuzes erinnern«, versucht er zu erklären.
    Die Einsamkeit der kargen Zelle und die unglaubliche Geltungssucht dieses Täters sind wohl die Erklärung für seine Worte, die er dem Gericht auf die Frage präsentiert: »Haben Sie im Zeichen des Kreuzes oder eines Gottes gehandelt?«
    Onoprienko antwortet: »Ja, denn ich lasse es nicht zu, dass es einen Gott gibt!«
    Ein russischer Journalist fragt ihn in der Verhandlungspause:
    »Sie haben einmal gesagt, dass es magische Kräfte waren, die Sie zu diesen Taten getrieben haben. Meinen Sie damit himmlische Kräfte? Im Zeichen des Kreuzes Jesu Christi?«
    Er erhält als Antwort: »Auch ich bin eine kosmische Kraft.

    Ein Mensch, wenn Sie so wollen, ausgesandt, um die Erde zu reinigen und den Menschen zu zeigen, wie unwichtig ihr Dasein für den Kosmos, das Übernatürliche ist. Ich bin wie ein Gott. Auch ich habe viele Anhänger und vor allem viele Nachfolger. Sollte mich dieses Gericht zum Tode verurteilen und die Strafe vollstrecken, werden meine Nachfolger mein Werk weiterführen. Denken Sie einmal darüber nach. Ich habe gesagt: Ich lasse es nicht zu, dass es einen Gott gibt. Dabei habe ich nicht gesagt, wer das zukünftige Universum regieren wird.«
    Einem Journalisten, der jeden Verhandlungstag im Strafprozess verfolgte, vertraut Onoprienko an: »Von mir wird bald ein Doppelgänger das Gerichtsgebäude betreten. Achten Sie auf einen Mann, der ein tätowiertes Kreuz auf der Hand trägt. Er wird mein Nachfolger sein. Die ganze Welt sollte auf ihn Acht geben. Man wird von ihm noch vieles vernehmen können, von dem diese Welt noch nichts erfahren hat.«
    Monate vergehen, und es gibt keinen männlichen Besucher in dem Gerichtssaal, der solch ein tätowiertes Kreuz trägt.
    Immer wieder fragt man sich, ob es wirklich ein religiöses

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