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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Tisch versammelt und wartet auf das Abendbrot, das die Tochter des Hauses zubereitet. Doch man will warten, denn die Lehrerin Seitschenko ist noch nicht zu Hause.
    »Sicher gibt sie wieder Nachhilfeunterricht«, stellt ihr Sohn fest. »Komm, lass uns mit dem Abendessen beginnen, sie kommt heute bestimmt erst später.«
    Ewgenija Seitschenko, die den ganzen Tag Unterricht erteilt hat, ist froh, dass ihr Sohn eine so tüchtige Hausfrau und Mutter gefunden hat. Die kleinen Enkelkinder halten die Frau auf Trab, und damit sie ihnen noch ein paar zusätzliche Freuden bereiten kann, gibt sie nebenbei Nachhilfeunterricht.
    Doch an diesem Tag geht sie, entgegen ihren Gewohnheiten, nicht nach Hause. Sie hat eine langjährige Freundin getroffen und übernachtet bei ihr.
    »Die Jungen werden auch einen Tag ohne mich auskommen«, entschuldigt sie ihr ungewöhnliches Verhalten.
    Währenddessen fährt der letzte Zug in dem kleinen Bahnhof des Dorfes ein. Nur ein Mann entsteigt dem Abteil. Im Dunkeln betritt er den einzigen Bahnsteig. Er hat Mühe sich zurechtzufinden, denn längst brennen keine Lichter mehr auf diesem verlassenen Bahnhof. Zu selten verlässt ein Reisender um diese Zeit den letzten Zug.
    Fluchend stapft Onoprienko durch das Gelände, bis er zum Ausgang des Bahnhofes gelangt. Langsam schreitet er die Dorfstraße entlang, bis er sein Ziel vor Augen hat: das Haus seiner ehemaligen Lehrerin Seitschenko. Sein einziges Gepäck ist ein in Plastiktüten eingewickeltes Schrotgewehr.
    Langsam nähert er sich dem kleinen Anwesen. Er schleicht sich in den Garten und beobachtet die junge Familie am Esstisch. Er sucht nach dem Ziel seiner Begierde, seiner Lehrerin, doch er kann sie nicht sehen. Immer wieder schleicht er um das Haus. Doch er findet nicht, was er sucht. Inzwischen vergisst er alle Vorsicht und schleicht wie ein wildes Tier um seine Beute. Er glaubt, die Frau ist zu Bett gegangen. Um an sein Ziel zu gelangen, nimmt er den Tod einer jungen Familie in Kauf. Seine Opfer taxiert er sehr genau. Er kann erkennen, dass der junge Mann sehr kräftig gebaut ist. Leise lachend stellt er auch fest, dass dies auch bei seiner Frau der Fall ist.
    Längst fürchtet er nicht mehr, entdeckt zu werden. Er will sein Vorhaben vollenden, das Ziel jahrelanger Begierde in die Tat umsetzen. Zerstören und für immer auslöschen will er das, was sein Leben veränderte.
    Onoprienko erzählt später, was an diesem Abend vorgefallen ist: »Mein einziger Wunsch war, diese alte Frau zu vernichten.
    Da ich damals glaubte, sie wäre schon zu Bett gegangen, störte es mich nicht, dass sich in dem Haus auch die junge Familie befand.«
    »Hatten Sie nicht Angst vor dem kräftigen Mann, den Sie durch das Fenster sehen konnten?«
    »Nein«, und dabei lacht er, »ich weiß mich zu wehren – in allen Lebenslagen.« Dann beginnt er über diesen Abend zu berichten: »Ich klopfte an der Haustür. Der Mann öffnete die Tür. Mit einem Schuss war alles erledigt. Er, der kräftige junge Mann, lag am Boden. Ich glaube, er war sofort tot. Da kam seine Frau und schrie verzweifelt um Hilfe. Auch hier genügten ein paar Schläge. Natürlich waren es gezielte Schläge, gezielte Karateschläge, wie ich sie beherrsche. Da ist sofort Ruhe. Ich wollte von den beiden doch gar nichts. Ich suchte nach der verhassten Frau, wegen der ich die weite Reise gemacht hatte.
    Doch im ganzen Haus konnte ich sie nicht finden. Meine Wut steigerte sich ins Unermessliche. Da ging ich noch einmal zu der jungen Frau. Ich entlud alle meine Wut an ihr.«
    »Haben Sie die tote Frau vergewaltigt?«
    »Nein, ich habe Sie gebraucht, das ist etwas anderes.«
    Onoprienko versucht zu erklären. Doch niemand will es wissen.
    Eine Chance, dem bestialischen Mörder zu entrinnen, hatte niemand der im Hause Anwesenden. Die Frau, an der Onoprienko seine unglaublichen Mordgelüste stillen wollte, überlebte. Ihre Kinder starben. »Ersatzweise«, wie Onoprienko später sagt.
    Doch an die Tatschilderungen, die zum Tode ihrer Lieben führte, will sie nicht glauben. So stellt sie fest: »Mein Sohn hatte einen offenen Bruch am rechten Arm und eine große Wunde am Bauch. Das linke Bein war auch gebrochen. Seine Brust war zerstochen. Der Mörder behauptet, er habe meinen Sohn mit nur einem Schuss umgebracht. Doch die Brüche und Wunden beweisen für mich eindeutig, dass es einen Kampf gab.«

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