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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sich das Joch dann wohl doch auf die Schultern legen musste. Nun, zu gegebener Zeit würde sich zeigen, was richtig war. Kein Grund, sich schon jetzt den Kopf zu zerbrechen!
    Matteo Brancoletti dagegen hielt seinen Auftrag schon für so gut wie angenommen, und mit dementsprechender Begeisterung führte er den Mönch ein zweites Mal durch seinen Palazzo und machte ihn mit seinen Wünschen vertraut. Als er sich, während er umständlich versuchte, dem Dominikaner ein neues Wandgemälde zu erklären, am Kinn kratzte, hatte dieser endlich Gelegenheit, den Siegelring des Bankherrn zu betrachten.
    Da war sie, die halbe florentinische Lilie! Sie nahm das linke Wappenfeld ein. Im rechten zeichnete sich die Hälfte eines Stierkopfes mit elegant geschwungenem Horn ab. Der Ansatz dieses rechten Feldes deckte sich mit der Linie, die auf dem Abdruck im Wachs noch zu sehen gewesen war.
    Jetzt passte alles zusammen!
    Trotz seiner Erregung darüber, dass er seinen Verdacht bestätigt sah, gab Pater Angelico sich den Anschein, gut zuzuhören, und heuchelte reges Interesse. Nur jetzt keinen Fehler machen und den Vorteil verspielen! Er unterbreitete dem Bankherrn sogar Vorschläge, wie die Aufteilung und die Gestaltung der Fresken besser gelingen könnten. Dabei prägte er sich einmal mehr die Räumlichkeiten genau ein, war ihm doch plötzlich ein Gedanke gekommen, wie er den Mörder womöglich überführen oder sich zumindest noch in den Besitz eines zweiten Hinweises bringen könnte. Dann hätte Scalvetti genug in der Hand, um es wagen zu können, Matteo Brancoletti zum Verhör ins Bargello bringen zu lassen.
    Er wartete eine günstige Gelegenheit ab, um seinen Köder auszuwerfen. Sie ergab sich, als sie aus Matteo Brancolettis privatem Gemach kamen, in das der Mann sich ein Fresko hatte malen lassen. Gegenüber von seinem wuchtigen Bett mit Damastbaldachin und seitlichen Seidenvorhängen prangte das Bild der drei Grazien aus der griechischen Mythologie. Er hatte sich die Göttinnen in vollkommener Nacktheit und ausgesprochen verführerischen, um nicht zu sagen: lüsternen Posen malen lassen. Zweifellos als sexuelle Anregung.
    »Was für einen Aufwand Ihr für Euer Fest treibt«, sagte Pater Angelico, während er an die Brüstung trat und hinunter auf das Treiben der vielen Bediensteten schaute. »Mir scheint, Ihr wollt sogar unseren Stadtherrn ausstechen, und dessen Feste lassen nun wahrlich keinen Prunk vermissen! Wunderschön, diese Wandbehänge. Und all die Kerzenleuchter! Das wird ein Fest für das Auge! Ach was, für alle Sinne, die Gott uns geschenkt hat! Ich bin sicher, von Eurem Kostümfest wird man in der Stadt noch lange sprechen!«
    In seiner aufgekratzten Stimmung biss Matteo Brancoletti, wie erhofft, auf Anhieb an. »Kommt doch auch, Pater Angelico!«, rief er spontan. »Macht mir das Vergnügen!«
    Scheinbar verblüfft angesichts dieser großzügigen Geste wandte Pater Angelico sich zu ihm um. »Ich, ein Mönch, soll Gast bei Eurem vornehmen Fest sein?« Er gab sich belustigt. »Ihr beliebt zu scherzen, Signore.«
    »Ganz und gar nicht!«, versicherte der Bankherr.
    Pater Angelico setzte eine verlegene Miene auf und schüttelte den Kopf. »Ich weiß Euren Großmut zu schätzen und muss gestehen, dass Ihr mich mit Eurer Einladung stark in Versuchung führt. Aber ich kann sie unmöglich annehmen. Wie sähe es denn aus, wenn sich ein einfacher Ordensmann wie ich unter Eure vornehmen Gäste mischt?«
    »Nun stellt mal Euer Licht nicht derart unter den Scheffel«, rügte Matteo Brancoletti ihn mit einem Augenzwinkern. »Ihr seid alles andere als ein einfacher Ordensmann, auch wenn Ihr Euch so gebt, was Euch ehrt. Jeder in Florenz – und wohl auch über unsere Stadt hinaus –, der etwas von Malerei versteht und sie zu würdigen weiß, kennt Euren Namen.«
    »Ich diene unserem Schöpfer dort, wo er mich zu haben wünscht, nicht mehr«, wehrte Pater Angelico ab.
    Matteo Brancoletti hörte gar nicht richtig hin, sondern fuhr sogleich fort: »Und erzählt mir nicht, Ihr würdet nicht auch ohne Pinsel in der Hand in vornehmen Häusern verkehren. Ich weiß sehr wohl, dass Ihr auch schon bei einer der Gesellschaften unseres Magnifico zu Gast gewesen seid!«
    »Eine Ausnahme …«
    »… auf die jemand wie Ihr auch Anspruch hat«, führte Matte Brancoletti den Satz für ihn zu Ende. »Nein, ich lasse Eure Ausreden nicht gelten, Pater Angelico. Und kommt mir nicht mit Eurem Prior! Ich kenne Vincenzo Bandelli und weiß, dass er

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