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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Hoffnung klammerte, dass Gott ihm den fraglos dornigen Weg, den er gehen musste, aufzeigen würde.
    Schon wollte er sich auf den Weg zurück ins Kloster machen, als er verblüfft feststellte, dass ihn sein Irrgang durch die Stadt in die Nähe von Matteo Brancolettis Palazzo geführt hatte. Er nahm es als Fingerzeig, dass er die Rückkehr nach San Marco noch für eine Weile aufschieben konnte. Es war ohnehin seine Absicht gewesen, dem Bankherrn noch einen zweiten Besuch abzustatten. Was er sich davon erhoffte, wusste er allerdings selbst nicht.
    Im Hof traf er auf eine Gruppe von Männern, die sich mit schweren Eisenfüßen in Gestalt vierfacher Löwenklauen, dunklen Eichenstangen, Querstreben und blütenweißen Zeltplanen abmühten, um den einen Pavillon zu errichten, der offenbar den gesamten Hof von den Stallungen bis zum Portal des Palastes überdachen sollte.
    Im Palazzo selbst ging es nicht weniger hektisch zu. Ein ganzes Heer von Hausdienern war damit beschäftigt, unter der mürrischen Aufsicht von Alessio Brancoletti den Innenhof auszuräumen und für das bevorstehende Fest vorzubereiten. Da wurden entlang des Säulengangs gedrechselte Stangen aufgehängt, von denen breite Bahnen aus kostbarem Samt in sattem Gelb, tiefem Rot und kräftigem Blau herabfielen und die nackten Steinwände verdeckten. Andere Diener schleppten mannshohe, vielarmige Standleuchter heran und bestückten sie mit armdicken Kerzen aus teurem Bienenwachs. Zwei Mägde bearbeiteten die Becken des Springbrunnens mit Bürsten, um sie von jeglichem grünen Algenbelag zu säubern. Und wieder andere Helfer trugen weich gepolsterte Scherensessel und Sitzbänke durchs Haus. Auch aus dem oberen Stockwerk drangen Stimmengewirr und allerlei Lärm, ging es in den Sälen doch nicht weniger geschäftig zu als unten im Palazzo und draußen im Vorhof.
    Pater Angelico fürchtete schon, Matteo Brancoletti könnte dem Lärm und Durcheinander in seinem Haus entflohen sein, doch dem war nicht so. Ein Bediensteter erklärte, sein Herr sei sehr wohl zugegen, er halte sich hinten im Kontor auf und werde unverzüglich vom Besuch des Padre unterrichtet.
    Tatsächlich erschien Matteo Brancoletti umgehend.
    Pater Angelico entschuldigte sich vielmals dafür, dass er ohne jede Voranmeldung mitten in die Vorbereitungen für ein Fest platze und den Bankherrn nun auch noch von seinen Geschäften abhalte. »Aber da ich zufällig in der Nähe war …«
    Matteo Brancoletti gab ihm keine Gelegenheit, seine Entschuldigung in ganzer Länge vorzubringen. »Ich bitte Euch, das ist doch nicht der Rede wert, Pater Angelico. Nur zu gern lasse ich mich von Euch von der Arbeit abhalten«, versicherte er. »Es ist mir sogar ein großes Vergnügen, Euch wieder bei mir zu begrüßen. Insbesondere da ich bei unserer letzten Begegnung den betrüblichen Eindruck hatte, dass Ihr nicht übermäßig geneigt schient, meinen Auftrag ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Darf ich hoffen, dass Ihr inzwischen anderen Sinnes seid und mich in den Genuss Eurer Kunst kommen lassen wollt?«
    »Aus ebendiesem Grund bin ich hier«, log Pater Angelico. »Bei unserer letzten Unterredung war ich leider von anderen Angelegenheiten abgelenkt und nicht recht bei der Sache. Das mag Euch besagten Eindruck vermittelt haben, was ich sehr bedaure, Signore Brancoletti.«
    Mit einem gewinnenden Lächeln winkte der Bankherr großmütig ab. »Lasst uns nicht zu viele Worte darum machen! Ich kenne das nur zu gut. Auch mir schwirrt manchmal der Kopf von all den Fragen, die mein Geschäft mit sich bringt.«
    »Wenn es Euch recht wäre, würde ich mir gern Eure Fresken noch einmal genauer anschauen und mir erzählen lassen, wie Ihr Euch die in Eurem neuen Palazzo denkt. Aber ich bin jetzt schon sicher, dass es eine Aufgabe sein wird, die ich gern übernehmen würde.«
    Was der Wahrheit nicht ferner hätte liegen können. Pater Angelico dachte nicht im Traum daran, sich diese Arbeit aufzuhalsen. Aber es würde auch nicht nötig werden, dass er zu seinem Wort stand. Wenn Matteo Brancoletti der Todesengel war, würde es für ihn keinen neuen Palazzo geben, sondern das Richtschwert. Und selbst wenn Pater Angelico mit seiner Vermutung falschlag – was er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte –, würde noch viel Zeit ins Land gehen, bis der Palazzo stand. Und dann würde er schon Gründe finden, die Arbeiten nicht ausführen zu müssen. Wenngleich er dem Mann in diesem unwahrscheinlichen Fall eine Abbitte schuldete und

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