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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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entsprach, wie Pater Angelico sich widerwillig eingestehen musste.
    »Also ganz gleich, wie Ihr die Vorgeschichte des Auftrags seht, die vielleicht nicht ganz glücklich verlaufen ist, wie ich einräumen will …« Dieses Zugeständnis fiel dem Prior sichtlich schwer, und er zog dabei ein Gesicht, als schlucke er den Saft einer unreifen Zitrone. »… aber auch Ihr steht bei ihm im Wort. Zumal Ihr mit der Arbeit in der Hauskapelle bereits begonnen habt.«
    Auch das konnte Pater Angelico zu seinem großen Bedauern nicht leugnen. Er hatte zwar noch kein einziges Fresko gemalt, aber doch einige nötige Vorarbeiten geleistet sowie erste Skizzen angefertigt. Und er wusste, dass das ein schwerwiegender Fehler gewesen war. So wie er sich auch vorwerfen musste, nicht von Anfang an unnachgiebig darauf bestanden zu haben, dass Bandelli grundsätzlich nicht in seinem Namen Aufträge annahm. Wäre er in den Anfangsjahren hart geblieben, hätte er jetzt nicht nach Möglichkeiten suchen müssen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Aber wie die Dinge lagen, gab es keinen Ausweg. Vermutlich hatte er die letzte Chance in dem Augenblick vertan, als er den Palazzo des einflussreichen Wollfabrikanten erstmals betrat. Von da an war er nicht mehr wirklich Herr über seine Entscheidungen gewesen.
    »Seit Anfang November ist nichts mehr geschehen«, fuhr der Prior fort, »und allmählich verliert …«
    »Was, seitdem ist nichts geschehen?«, fiel Pater Angelico ihm empört ins Wort, stemmte die Fäuste in die Hüften und funkelte ihn an, als wollte er ihn mit seinem schieren Blick niederstrecken. »Bei den Leiden des Erlösers, viel ist seitdem geschehen! Sogar höllisch schmerzhaft viel! Wollt Ihr mich zu allem auch noch verhöhnen, ehrwürdiger Vater? « Er spuckte die Anrede aus wie eine madige Frucht. »Oder habt Ihr vergessen, dass ich in dem verdammten Keller des alten Geschlechterturms eine halbe Ewigkeit am Strick gehangen habe und die Folter des strappado erdulden musste? Habt Ihr eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn einem das Seil die Arme aus den Schultergelenken zerren will und Muskeln, Bänder und Sehnen kurz vor dem Zerreißen stehen? Soll ich es Euch demonstrieren?« Das Feuer, das seine Augen sprühten, war entfacht von der Erinnerung an die grausamen Schmerzen, die er bis ans Ende seiner Tage nicht vergessen würde.
    Der Prior erblasste und wich einen Schritt zurück, als fürchte er, Pater Angelico könnte in seinem Zorn tatsächlich noch handgreiflich werden.
    »Heilige Muttergottes, so habe ich es natürlich nicht gemeint! Nichts liegt mir ferner, als die entsetzliche Tortur zu verharmlosen, die Ihr von der Hand dieser Bestie habt erdulden müssen [1] !«, beteuerte er hastig. »Der Herr ist mein Zeuge!«
    Pater Angelico sah ihn scharf an, die Augen schmal und die Lippen zusammengepresst. Er gab ein Knurren von sich und blähte die Nasenflügel, schwieg aber.
    Vincenzo Bandelli fasste sich schnell wieder. »Bei Gott und der seligen Jungfrau, es war eine böse und gottlose Geschichte, in die Ihr Euch nach dem Mord an Eurem speziale Bernardo Movetti verstrickt habt! Und nach allem, was mir darüber zu Ohren gekommen ist, habt Ihr Euch tapfer geschlagen und sogar einiges dazu beigetragen, dass der Frevel letztlich gesühnt und der Gerechtigkeit Genüge getan wurde«, sagte er salbungsvoll, wobei er es verstand, selbst seiner vermeintlichen Anerkennung noch eine unterschwellige Note von Vorwurf zu verleihen. Zweifellos missfiel ihm, dass es zu dieser Verstrickung überhaupt gekommen war; dass Pater Angelico seinen Drogisten, der wie alle Speziali neben Arzneien und Süßigkeiten auch die von Malern benötigten Materialien angeboten hatte, tot aufgefunden hatte und in die Aufklärung der Todesumstände verwickelt gewesen war.
    Wie gut, dass Commissario Scalvetti zu schweigen versteht und du nur die halbe Wahrheit kennst, Bandelli, dachte er denn auch dankbar. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätten der Prior und damit auch alle anderen im Konvent erfahren, wie tief er tatsächlich in den Fall verstrickt gewesen war und weshalb er gar keine andere Möglichkeit gehabt hatte, als den Mörder ausfindig zu machen und zu stellen. Vermutlich hätte ihn das nicht nur sein Ordensgewand gekostet, sondern Lorenzo de’ Medici hätte ihn wohl aus der Stadt peitschen lassen – sofern er eingedenk der herrlichen Tafelbilder, die er, Pater Angelico, in den vergangenen Jahren für ihn und seine Günstlinge angefertigt

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