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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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missbraucht hat.«
    Pater Angelico nickte. »Ich hatte keine andere Auskunft erwartet«, sagte er und verfiel wieder in finster brütendes Schweigen.
    Der Novize setzte sich zu ihm. Nach kurzem Zögern und einem fragenden Blick zu seinem Meister, der wortlos nickte, brach er sich die Hälfte des restlichen Brotfladens ab und ließ sie sich schmecken. Danach schielte er mehrfach zum Teller hinüber, wagte es aber offensichtlich nicht, auch nach der anderen Hälfte zu fragen.
    »Nun nimm schon den Rest«, forderte Pater Angelico ihn nach langem gedankenschweren Schweigen schließlich auf.
    Bruder Bartolos Augen leuchteten. »Danke, Meister!«
    Pater Angelico ließ ihn in Ruhe das letzte Stück Pane sardo essen. Er gönnte ihm auch noch einen kräftigen Schluck Wein. Doch dann sagte er streng: »Hör zu, Bruder Bartolo, und hör sehr gut zu. Denn ich werde mich nicht ein drittes Mal wiederholen!« Er machte eine kurze Pause. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich despektierliches Verhalten dem Pfandleiher Gershom Jezek gegenüber nicht toleriere, ganz gleich, ob es sich in Worten oder nur in Blicken ausdrückt. Und das Gleiche gilt für den Umgang mit jedem Juden.«
    Dem Novizen schoss das Blut ins Gesicht. »Aber sie gehören doch zu dem Volk, das unseren Herrn und Erlöser ausgeliefert und ans Kreuz geschlagen hat! Gottes Fluch ist über sie gekommen. So steht es in der Bibel«, verteidigte er sich hastig. »Verzeiht mir die Frage, aber wie könnt Ihr Euch mit einem solchen Hebräer an einen Tisch setzen, Meister?«
    »So steht es ganz und gar nicht in der Bibel, auch wenn es immer wieder von verbohrten, ungebildeten Kleingeistern im Kirchenrock so behauptet und von den Kanzeln gepredigt wird«, erwiderte Pater Angelico ungehalten. »Muss ich dich wieder daran erinnern, dass nicht nur unser Herr selbst, sondern auch die Gottesmutter, der heilige Josef sowie die Jünger allesamt Juden gewesen sind? Unser Glaube steht auf dem des jüdischen Volkes, so wie ein Haus, das Bestand haben soll, auf einem festen Fundament errichtet ist.«
    »Das … das mag so sein«, räumte der Novize widerstrebend ein. »Aber als demütige Diener unseres Herrn müssen wir doch den einzig wahren Glauben gegen die Irrlehren …«
    Scharf fiel Pater Angelico ihm ins Wort. »Der Glaube ist eine unvollkommene Erkenntnis, wie uns der heilige Tommaso von Aquin in seinem Compendium theologiae gelehrt hat«, beschied er ihn. »Aber da du es mehr mit dem heiligen Augustinus hältst, der unserem Orden seine regula gegeben hat, so soll auch er mit seiner weisen Warnung ›Es sind viele draußen, die drinnen zu sein scheinen, und es sind viele drinnen, die draußen zu sein scheinen!‹ hier zu Wort kommen.«
    Der Novize blickte verstört drein. Er wusste nicht, was er erwidern sollte.
    Pater Angelico schenkte ihm einen versöhnlichen Blick. »Es geht nicht darum, den eigenen Glauben geringzuschätzen. Nichts liegt mir ferner als das«, beteuerte er. »Er ist mir nicht weniger kostbar als dir, Bruder Bartolo. Aber wir sollten uns alle vor Hochmut schützen.«
    Bruder Bartolo furchte die Stirn. »Hochmut in welcher Hinsicht?«
    »Dass wir meinen, über die einzige Wahrheit zu verfügen und Gottes Willen zu kennen. Ich will dir eine Geschichte erzählen, die man die ›Ringparabel‹ nennt. Sie findet sich in einer Sammlung italienischer Novellen aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, die sich Novellino nennt. Kennst du sie?«
    Der Novize schüttelte den Kopf. »Erzählt, Meister!«
    »Ein Sultan, der sich wieder einmal in Geldnot befand, ließ einen reichen Juden kommen, um ihn um sein Vermögen zu bringen. Zu diesem Zweck stellte er ihm die hinterhältige Frage, welche Religion denn wohl die einzig wahre sei. Antwortete der Mann: ›Die jüdische‹, beging er eine unverzeihliche Beleidigung gegen die Religion des mohammedanischen Herrschers. Sagte er jedoch: ›Die sarazenische‹, dann verleugnete er den eigenen Glauben. Im einen wie im anderen Fall bot sich dem Sultan ein prächtiger Vorwand, um das Hab und Gut des jüdischen Kaufmanns einzuziehen.« Er unterbrach seine Erzählung, um den Rest Wein aus dem Krug auf ihre beiden Becher zu verteilen.
    »Und welche Antwort hat der Jude dem Sultan gegeben?«, fragte der Novize und griff dankbar nach dem Becher, den sein Meister ihm reichte.
    »Der Sohn Israels hat mit einer Geschichte geantwortet, die womöglich einstmals in babylonischer Gefangenschaft ersonnen worden ist. Und sie geht wie

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