Der Todesengel von Florenz
Kleidungsstücke für sich selbst heraussuchte. »Ich hoffe, Euer mönchisches Schamgefühl wird nicht allzu sehr strapaziert dadurch, dass ich Euch zum Umziehen nicht einmal einen Paravent bieten kann. Präsentiert mir einfach wieder Euren breiten Rücken, so wie ich Euch meinen entbiete!«
»Von mir aus könnt Ihr nackt durch den Raum tanzen! Ich bin nicht in einem Federbett zur Welt gekommen, sondern auf einer Feldpritsche unter einer löchrigen Zeltplane. Mein nackter Hintern kümmert mich so wenig wie Eurer! Erklärt mir lieber, wozu das alles dienen soll!«, brummte Pater Angelico, löste seinen Gürtel und streifte sich Habit und Untergewand in einem Zug über den Kopf. »Was um alles in der Welt habt Ihr vor?«
»Meinem Informanten, den Ihr vorhin gesehen habt, ist zu Ohren gekommen, dass sich in einer üblen Spelunke namens Tre Pupazzi unten am Borgo dei Tintori jemand damit rühmt, jemandem die Kehle durchgeschnitten und der fetten Bartolomea den Garaus gemacht zu haben«, sagte Scalvetti und stieg hastig in seine Landsknechtskleider. »Der Kerl hört auf den Namen Silvio Montini.«
Pater Angelico schaute skeptisch drein. Die bei den hohen, hölzernen Hallen der Färber gelegenen Kaschemmen nahe am Fluss standen in dem Ruf, das lichtscheue Gesindel der Stadt anzuziehen und eine Brutstätte des Lasters und des Verbrechens zu sein. »Eine Spelunke in diesem miesen Viertel scheint mir aber kaum der passende Ort für einen Umtrunk unseres Täters zu sein, dem wir doch weder Bildung noch den Besitz eines teuren Rings absprechen können«, wandte er ein und mühte sich mit den seitlichen Knöpfen seines Wamses.
»Ihr würdet Euch wundern, an welchen vermeintlich unmöglichen Orten wir manchmal auf Herren von Rang und Namen stoßen. Manche dieser Hochwohlgeborenen scheinen von den menschlichen Niederungen ebenso magisch angezogen zu werden wie Motten vom Licht«, erwiderte Tiberio Scalvetti.
»Und warum schickt Ihr nicht einfach ein paar von Euren Sbirri in diese Taverne?«
»Aus Gründen, die ich heute Morgen schon einmal angedeutet habe, sind einige meiner besten Männer derzeit außerhalb der Stadt beschäftigt. Zudem ist es spät, und ehe ich die anderen aus ihren warmen Betten jage, nehme ich mich der Sache doch lieber selbst an. Gelegentlich habe ich auch nichts dagegen, persönlich zuzugreifen. Das fördert die Moral der Truppe«, erklärte er mit dem ihm eigenen Sarkasmus. »Aber da Ihr zu Recht darauf hingewiesen habt, welcher Abschaum sich allabendlich dort unten versammelt, wollen wir doch dafür sorgen, dass Ihr Euch den Gefahren, die damit womöglich verbunden sind, nicht unbewaffnet aussetzt. Dass Ihr noch immer trefflich mit einer Klinge umzugehen versteht, davon habe ich mich letztes Jahr selbst überzeugen können. Kommt, sucht Euch einen Dolch aus.«
»Nicht nötig«, wehrte Pater Angelico ab. »Ich ziehe es vor, notfalls nach der mir vertrauten Waffe zu greifen.« Damit schlug er den alten Wollumhang zurück, um seinen Stoffgürtel mit dem Dolch zu präsentieren. Seit der Causa Movetti hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, ihn unter der Kutte zu tragen. Es war der einzige Gegenstand aus seiner Landsknechtszeit, den er vor seinem Eintritt ins Kloster nicht an Gershom verkauft, sondern in sein neues Leben als Mönch mitgenommen hatte. Obwohl er damit die Ordensregel verletzte, die keinem Mönch persönliches Eigentum zugestand, hatte er sich nicht von dem Erbstück trennen können. Sein Vater hatte die Waffe von einer abenteuerlichen Reise ins Heilige Land mitgebracht, und ihm, dem Sohn, hatte sie mehr als einmal das Leben gerettet.
Tiberio Scalvetti machte große Augen und trat zu ihm. »Es ist ja nichts Neues, dass Mönche ihr Messer am Gürtel tragen. Aber dieses prächtige Stück dient wohl weniger dazu, Brot von einem Kanten zu schneiden und Klosterhonig draufzustreichen«, spöttelte er und streckte die Hand aus. »Ihr erlaubt?«
Pater Angelico zog den Dolch, der über eine lange, schmale, doppelseitig geschliffene Klinge verfügte, aus der flachen Scheide aus fein gehämmertem Silber und reichte ihn Scalvetti.
»Herrlich«, sagte der Commissario, wog die Waffe mit dem geriffelten Griffstück aus Elfenbein in der Hand und strich bewundernd über die Klinge, die mit ihrer wellenförmigen Maserung kalt im Licht funkelte. »Welch ein Meisterstück der Schmiedekunst! Und aus bestem Damaszener Stahl!« Fast widerstrebend gab er den Dolch wieder zurück. »Ihr seid ein Mann nach
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