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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Der unterirdische Geheimgang hatte sie also in ein Haus auf der Via dei Malcontenti gebracht.
    Möge es, gütiger Gott, kein schlechtes Omen sein, dass wir ausgerechnet hier wieder nach oben gekommen sind, dachte der Mönch, wurden doch über die Via dei Malcontenti die zum Tode Verurteilten zum Richtplatz vor der Stadt geführt.

26
    B is zum Borgo dei Tintori und dem diesseitigen Ufer des Arno war es von dem Haus mit der falschen Schreibstube nur noch ein kurzer Gang, zumal Scalvetti einen ähnlich flotten Schritt vorlegte, wie auch Pater Angelico ihn bevorzugte.
    Als sie an der Franziskanerkathedrale entlang und über die Piazza di Santa Croce eilten, fiel aus den Fenstern einiger Palazzi an der Via dei Benci heller Lichtschein auf die Straße. Zudem hatten die Besitzer vor ihren Palästen in Eisenkäfigen große Feuer entzündet und ließen, als wollten sie die Nacht zum Tag machen, zusätzlich noch Dutzende Pechfackeln in den dafür vorgesehenen Halterungen am rauen Bossenwerk lodern. Aus den oberen Stockwerken drang Musik, die zum Tanzen lockte, und wehte mit dem Geruch von verbranntem Holz und Pech zu ihnen herüber.
    »Für manche Neureichen kann die Zeit der Karnevalsfeste nicht früh genug beginnen«, meinte Scalvetti geringschätzig. »Bald kramen sie schon gleich nach Christi Geburt ihren grellen Tand hervor und protzen mit ihren Kostümbällen!«
    Auf den Straßen rund um die Piazza war ungeachtet der späten Stunde noch einiges Volk unterwegs, viele schon mit ausgefallener Maske vor dem Gesicht und in bunter Verkleidung. Überwiegend handelte es sich um junge Leute, Gecken aus vermögendem Haus, die grüppchenweise unter lautem Gelächter und scherzhaften Zurufen von einer Vergnügung zur anderen zogen. Aber ihnen begegneten auch Kaufleute aus fremden Städten und fernen Ländern, die an ihrer Kleidung als solche zu erkennen waren und zu dieser Jahreszeit in Florenz das Nützliche mit dem Angenehmen verbanden.
    Schon wenige Querstraßen weiter dem Fluss entgegen blieben Musik, Lichtschein und fröhliches Treiben hinter ihnen zurück. Die Gassen wurden schmaler, und zwischen den trostlosen einfachen Mietshäusern gewann die Dunkelheit wieder die Oberhand. Noch einmal überquerten sie eine breite Straße, den Borgo dei Tintori, dann passierten sie eine lange Reihe von hohen, langgestreckten Holzgebäuden, wie sie sich auch noch an anderen Stellen weiter flussabwärts fanden. Unten in diesen Hallen wurden in mächtigen Bottichen die edlen Tuche gefärbt, die Florenz so reich und berühmt gemacht hatten, und oben, auf den luftigen Dachspeichern, wurden sie in langen Bahnen zum Trocknen auf Stangengerüste gehängt. Selbst jetzt roch es hier intensiv nach den Färbestoffen, vor allem nach Kermes, aber auch Waid, Robbia und Oricello.
    Schließlich erreichten sie den finsteren Uferstreifen, wo sich in bedrückender Enge die schäbigen Behausungen der Fischer, Fährleute, Flussschiffer, heruntergekommenen Tagelöhner und all derer drängten, die sich nichts Besseres leisten konnten – oder anderweitige Gründe hatten, hier und nirgendwo sonst Unterschlupf zu suchen. Abgetakelte Huren etwa, die kein Freudenhaus mehr über die Schwelle ließ, Hehler, Taschendiebe und Halsabschneider aller Art. Zwischen den Wohnhäusern eingeklemmt lagen die übel beleumundeten Tavernen, denen man von draußen schon ansah, was einen im Innern erwartete. Bei den meisten dieser Spelunken handelte es sich um windschiefe Bretterschuppen und bessere Hütten. Einige fanden sich in aufgegebenen Kellergewölben, in denen Flussschiffer einst ihre Waren zwischengelagert hatten. Zwei allerdings hatten sich in verhältnismäßig standfesten Häusern aus Balken und Mauerwerk etabliert, und eines dieser beiden war das Tre Pupazzi.
    Was all diese Schenken gemeinsam hatten, war, dass ihre skrupellosen Wirte verschnittenen Wein der billigsten Sorte verkauften und nicht selten mit Vitriol versetzten Fusel, von dem man blind werden konnte. Und wenn es überhaupt eine Küche gab, so musste man einen eisernen Magen haben, abgestumpfte Geschmacksnerven und am besten unstillbaren Hunger, um den dort zusammengekochten Fraß ohne Würgen herunterzubekommen.
    Als Tiberio Scalvetti die schief in den Angeln hängende Brettertür aufstieß, schlug ihnen unglaublicher Lärm entgegen. Lautes Grölen, das Klatschen, mit dem Spielkarten auf Tischplatten gepfeffert wurden, obszöne Flüche, das Rasseln von Würfelbechern, kehliges Gelächter, schrille

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