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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Lumpengestalten gegenüber, die im Schein eines Talglichtes, das sie auf einen Totenschädel gesetzt hatten, ihre armseligen Siebensachen zusammenrafften. Wie eine aufgescheuchte Meute Ratten fuhren sie unter schrillem Angstgeschrei auseinander und kamen ihm in die Quere.
    »Aus dem Weg!«, brüllte er, stieß eine der Gestalten grob zur Seite und hatte weder Zeit noch das Verlangen, sich Gedanken darüber zu machen, mit wem er da in Kontakt gekommen war.
    So schnell er konnte, hastete er tiefer hinein in die Katakomben, vorbei an immer größeren und längeren Ausbuchtungen in den Wänden, die bis unter die Rundbögen mit Knochen und Schädeln angefüllt waren und sich endlos aneinanderzureihen schienen, unterbrochen nur von kurzen, vorspringenden Mauerstücken.
    Der Gang machte eine weitere lange Biegung, in der Pater Angelico meinte, gleich von der Finsternis verschlungen zu werden, doch dann tauchte wieder Licht vor ihm auf, heller als an den anderen Lagerstellen, die er bislang passiert hatte.
    Er hörte aufgeregte Stimmen und das Scheppern von Blech. Jemand, bei dem es sich nur um Silvio Montini handeln konnte, brüllte: »Sbirri! Sbirri! Macht die verfluchten Lampen aus, ihr Idioten!«
    Im nächsten Moment erblickte Pater Angelico ein quadratisches Gewölbe, an dessen hinterem Ende sich der breite Hauptgang in zwei etwas schmalere Tunnel aufteilte. Hier hatten sich gut anderthalb Dutzend Männer und Frauen – auch sie ausnahmslos zerlumpte Elendsgestalten – um ein Feuer versammelt, über dem an einem eisernen Dreibein ein Kessel hing. Licht kam hier zudem von zwei kleinen Öllampen.
    Pater Angelico erhaschte noch einen Blick auf Silvio Montini, der mit flatterndem Lucco in den linken Gang flüchtete. Er wollte ihm nach, doch zwei Männer vereitelten das – wenn wohl auch ungewollt –, als sie genau in dem Augenblick vom Feuer aufsprangen und ihm mitten im Lauf vor die Füße gerieten.
    Diesmal gelang es ihm nicht, sich den Weg freizuboxen; er prallte ungebremst mit den beiden Katakombenbewohnern zusammen. Bei dem Zusammenstoß verlor er das Gleichgewicht, ruderte mit den Armen, taumelte in eine Nische voller Totenköpfe, krachte mitten hinein und riss mit Schulter und Ellbogen den sorgfältig aufgetürmten Stapel auseinander. In einer Wolke aus Dreck, Knochensplittern und jahrhundertealtem Staub prasselte ein Hagel aus Schädeln auf ihn nieder, und er ging zu Boden.
    Bevor er noch wusste, wie ihm geschah, stürzte sich die Gruppe kreischend auf ihn. Eisige Hände griffen nach ihm, krallten sich um seine nackten Füße, grapschten ihn nach einem Geldbeutel oder anderem ab, was sie ihm entreißen könnten, und legten sich um seinen Hals, um ihn zu würgen.
    Fluchend und Dreck und Staub ausspuckend, schlug der Mönch um sich. Er erlegte sich bei seinen Hieben und Stößen keinerlei Zurückhaltung auf, und lautes Jaulen verriet, dass seine Gegenwehr die gewünschte Wirkung hatte. Doch um ein Haar hätte ihm einer den Dolch aus der Scheide gerissen. Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, die Hand desjenigen zu packen und ihm die Waffe aus den Fingern zu winden.
    »Versuch es noch einmal, Kerl, wenn du die Klinge zu spüren bekommen willst«, rief er, rammte dem Mann zur Warnung noch den Ellbogen in die Rippen und trat um sich. »Und wenn ihr anderen nicht sofort von mir lasst, schneide ich euch in Streifen!« Er fuchtelte wild mit dem Dolch und fragte sich, wo Scalvetti blieb. Der Commissario hätte längst bei ihm sein müssen, so weit zurück war er doch gar nicht gewesen. Aber er erschien nicht.
    Die Elendsgestalten, deren Gestank ihm noch mehr auf den Magen schlug als der Knochenstaub in seinem Mund und der Haufen Totenschädel, in dem er lag, ließen von ihm ab. Eiligst rappelte er sich auf, schnappte sich eine der kleinen Öllampen und rannte in den Gang, durch den er Silvio Montini hatte verschwinden sehen.
    Dabei machte er sich keine Hoffnung, ihn noch einholen zu können. Die Chance war verspielt, und es wurmte ihn, dass Scalvetti nicht auftauchte.
    Er nahm den ersten Ausgang aus den Katakomben, auf den er traf. Reststücke von Brettern waren als Trittstufen in das Erdreich des nachträglich gegrabenen, schräg nach oben führenden Ganges geschlagen. Und für den letzten, fast senkrecht aufsteigenden Teil war eine Leiter aus Dachlatten und dicken Ästen zusammengezimmert worden. Oben angekommen blies Pater Angelico, wütend auf sich selbst wie auf Scalvetti, die Flamme aus und warf die Öllampe

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