Der Todesengel von Florenz
einem erneuten Lachen und rief über den Lärm hinweg in Richtung der hinteren Schankstube: »He, Silvio! Hier sind zwei Landsknechte, die wollen mit dir Geschäfte machen! Erzähl uns doch mal, was für ’nen Bären du denen aufgebunden hast! Willste ihnen einen Batzen Kermes verscheuern, oder was?«
Es gab Gelächter rund um die Theke, und Pater Angelico bemerkte, wie im hinteren Teil der Schenke ein grobschlächtiger Kerl den Würfelbecher sinken ließ, den Kopf hob und ihnen sein pockennarbiges Gesicht zuwandte. Das musste ihr Mann sein!
Doch noch bevor er Scalvetti ein Zeichen geben konnte, wurde er von einem Mann angerempelt, der ihn gut um eine Haupteslänge überragte und im Begriff war, drei große Bierhumpen von der Theke zu seinen Tischgenossen zu tragen. Der Filzhut rutschte ihm vom Kopf und entblößte seine Tonsur. Er wollte noch nach dem Hut greifen, doch er entglitt seinen Fingern und landete im Dreck.
Sowie die Männer um ihn her sahen, dass sie es nicht mit einem heruntergekommenen Landsknecht, sondern mit einem Mönch zu tun hatten, brach wildes Gejohle aus.
»Heiliger Schwengel, da hat sich doch ein verkleideter Betbruder zu uns geschlichen!«, brüllte jemand. »Der sucht hier bestimmt ’ne feuchte Ritze, die er mal so richtig stechen kann, der arme Hund!«
»Da muss er mit seinem angestauten Saft aber noch ’ne Weile warten!«, griff ein anderer den beißenden Spott auf. »Pippos Püppchen rammeln oben schon mit den Schiffern, und bei denen kann’s dauern!«
Wieder gab es schallendes Gelächter.
»Dahinten, der Pockennarbige in dem rotfleckigen lucco «, zischte Pater Angelico dem Commissario zu, während sie noch von Spott umbrandet wurden.
Aber so leicht entkamen sie der Menge, die sie nun umringte, nicht. Die rauen Burschen wollten ihren Spaß und dachten nicht daran, ihnen den Weg frei zu machen, wohin auch immer.
»Kennt ihr den, Leute?«, rief ein stämmiger Kerl mit abstehenden Ohren und einer Hasenscharte über fauligen Zähnen, der sich breitbeinig vor Pater Angelico aufgebaut hatte. »Stellt sich ein feister Mönch, rund wie eine Tonne, an den Rinnstein, schlägt seine Kutte hoch und pisst in die Rinne. Kommt ein Junge vorbei und starrt ihm auf den Schwanz. Und was sagt der fette Betbruder? Er sagt: ›Grüß ihn schön von mir, Kleiner. Ich hab ihn schon seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen!‹« Und dann schüttete er sich aus vor Lachen, und die anderen Zecher stimmten ein.
»Ihr habt euren Spaß gehabt, Leute«, rief Scalvetti mit einem schiefen Grinsen in das Gebrüll, »aber jetzt macht Platz. Wir haben was mit Silvio zu bereden. Für eure Nutten interessieren wir uns nicht. Denen dürft ihr ganz allein die Spinnweben aus den Spalten fegen!«
»Nun mal nicht so eilig, Kerl!«, erwiderte eine argwöhnische Stimme im Rücken des Commissario. »Wollen doch mal sehen, ob auch unter deinem feinen Hütchen ein verlogener Klosterbruder steckt!« Und schon stieß jemand Scalvetti den breitkrempigen Hut, der sein Gesicht überschattet hatte, vom Kopf.
»Schau an, wenigstens der ist ungeschoren«, sagte der Wirt, offenbar enttäuscht, nicht auch diesen Gast mit Häme übergießen zu können.
Vielleicht wäre danach alles gutgegangen. Wäre da nicht einer in der Menge gewesen, der das Gesicht des Commissario schon gesehen hatte.
»Verdammt, das ist einer von den verfluchten Acht!«, brüllte er. »Der ist bestimmt nicht zu seinem Vergnügen hier!«
Die Wirkung dieses Alarmrufes war beeindruckend, wenn sie auch kaum überraschte. Die Menge spritzte auseinander, als sei in ihrer Mitte eine Kanonenkugel eingeschlagen. Jeder versuchte, die Taverne so schnell wie möglich zu verlassen. Tische und Bänke stürzten, Becher und Humpen polterten zu Boden und vergossen, was noch in ihnen war. Karten und Würfel flogen durch die Luft, als die Zecher an den Tischen wie von der Tarantel gestochen aufsprangen und das Weite suchten.
»Los, schnappen wir ihn uns!«, rief Scalvetti über den Tumult hinweg und stürmte los.
Doch das war in dem wüsten Durcheinander leichter gesagt als getan. Das Gesindel aus dem hinteren Teil der Schenke schlug ihnen wie eine Brandungswelle aus Menschenleibern entgegen. Einige griffen die beiden sogar mit Fäusten, Messern und Bierhumpen an, weil sie um ihr Leben fürchteten. Sie hatten wohl besonders viel auf dem Kerbholz und nicht mitbekommen, dass es dem Mann von der Acht um Silvio Montini ging.
Auf eine Messerstecherei wollte Pater Angelico
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