Der Todesflieger
fragte Pitt.
»So etwas Ähnliches«, bejahte Darius. »Als die Deutschen die Insel zweiundvierzig besetzt hielten, hatten sie hier ein Nachschublager eingerichtet.«
Pitt zog eine Zigarette heraus und steckte sie sich an. Darius ebenfalls eine anzubieten wäre zu plump gewesen. Also trat er einen Schritt zurück und begann, scheinbar spielerisch, sein Feuerzeug hochzuwerfen und wieder aufzufangen. Er tat das vier- oder fünfmal, und jedesmal warf er es ein wenig höher.
Darius’ Augen folgten der Bahn des Feuerzeugs. Beim fünften Mal glitt es wie zufällig durch Pitts Finger und fiel zu Boden. Er zuckte entschuldigend die Achseln und bückte sich, um es aufzuheben.
Der Rest spielte sich in Sekundenschnelle ab. Pitt behielt die leicht gebückte Stellung bei, suchte mit den Füßen den bestmöglichen Absprung auf dem rauhen Holzfußboden, zog den Kopf zwischen die Schultern und hechtete los. Im letzten Augenblick riß er den Kopf hoch, und dann rammte er mit dem ganzen Schwung seiner neunzig Kilogramm in Darius Bauch.
Ihm war, als wäre er mit voller Wucht gegen eine Mauer geprallt. Die Luft blieb ihm weg, und ein Schmerz durchfuhr ihn, als wäre sein Hals gebrochen.
In der Fachsprache des Footballs nennt man so etwas einen »running block« : ein tückisches und brutales Sperren des angreifenden Gegners. Jeden normalen Menschen hätte Pitts »running block« umgehend ins nächste Krankenhausbett befördert, und jeder Football-Spieler wäre erst einmal japsend zu Boden gegangen. Nicht so Darius. Der Koloß grunzte nur, knickte leicht ein und hatte mit einem schnellen Griff Pitt am Arm gepackt und hochgezerrt.
Pitt wußte nicht, wie ihm geschah. Er fühlte einen stechenden Schmerz in seinem Arm und in der Nackengegend. Wie hat Darius diesen Schlag bloß überstehen können? dachte er benommen. Dann spürte er, wie der Grieche ihn gegen die Wand wuchtete, hochhob und mit ungeheurer Kraft gegen einen Stützpfeiler preßte. Wahnsinnige Schmerzen jagten durch Pitts Rücken. Er biß gequält die Zähne zusammen und starrte in Darius’ ausdrucksloses Gesicht. Jeden Augenblick mußte seine Wirbelsäule brechen. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Darius drückte stärker und stärker…
Plötzlich ließ der Druck nach. Die Nebel vor Pitts Augen lichtete sich, und er erkannte, daß Darius den Kopf gewendet hatte und nach Luft schnappte. Sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Aufstöhnen, und schwankend sank er in die Knie.
Solange der Riese mit dem Rücken zur Tür gestanden hatte, hatte Giordino dem Kampf nur hilflos zusehen können. Erst als er sich endlich zur Seite wandte und Pitt gegen die Wand preßte, hatte Giordino einen Anlauf genommen und war mit einem gewaltigen Satz dem Griechen ins Genick gesprungen. Beide Beine hochgerissen, rammte er ihm die Füße in die Nieren. Aber der Koloß schüttelte ihn einfach ab. Giordino überschlug sich und landete krachend auf dem Boden. Er spuckte einen Zahn aus und blieb wie betäubt liegen. Erst nach einer Weile begann er sich mühsam hochzurappeln.
In seinem Kopf dröhnte es und drehte sich alles.
Als er wieder einigermaßen klar denken konnte, war es zu spät; Darius hatte sich viel zu rasch erholt. Siegeszuversicht lag auf seinem; häßlichen Gesicht, als er sich mit seinem ganzen Gewicht auf Giordino warf und den kleinen Mann unter sich begrub. Er grinste ihn böse in sadistischer Vorfreude an. Dann legten sich seine riesigen Pranken auf Giordinos Schläfen und verschränkten sich über seinem Kopf, und Giordino fühlte, wie sein Schädel zusammengepreßt wurde mit der Kraft eines sich stetig schließenden Schraubstocks.
Lange Sekunden lag Giordino einfach wehrlos da, die mörderischen Schmerzen in seinem Kopf machten jeden Gedanken unmöglich. Endlich besann er sich, hob langsam die Hände, packte Darius bei den Daumen und bog sie mit aller Gewalt nach hinten. Giordino besaß Kräfte wie ein Stier, doch gegen den Mann, der da tonnenschwer auf seiner Brust saß, schien kein Kraut gewachsen. Darius störten Giordinos verzweifelte Anstrengungen offensichtlich nicht im geringsten – der Schraubstock seiner Hände zog sich enger und enger zusammen.
Pitt stand wieder. Nur mit Mühe konnte er sich aufrecht halten, in seinem Rücken tobte ein einziger qualvoller Schmerz.
Ohne zu begreifen, starrte er auf den mörderischen Kampf am Boden. Du mußt etwas tun, du Idiot! schrie eine innere Stimme ihm zu, schnell, ehe es zu spät ist. Er lehnte sich zitternd gegen die
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