Der Todesflieger
Etwas, das aussah, als würde es jeden Augenblick von der nächstbesten Brise davongeweht werden.
Kokett hockte sie auf der Kante des Eßtisches; sie gab sich wie eine Königin, die Hof hielt. Sämtliche Blicke waren auf sie gerichtet, und sie genoß es sichtlich, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Amüsiert musterte Pitt einen Augenblick lang die Gesichter der Männer. Es war nicht schwierig, die Wissenschaftler von der Mannschaft zu unterscheiden. Die Matrosen hielten sich schweigend im Hintergrund und starrten nur unverwandt auf Teris großzügig dargebotene weibliche Reize. Man konnte sich leicht ausmalen, was dabei in ihren Köpfen vorging. Die Unterhaltung hingegen wurde hauptsächlich von den Wissenschaftlern bestritten. Sie führten sich dabei wie Schuljungen auf. Jeder versuchte, den anderen zu übertrumpfen, um so Teris Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Commander Gunn erblickte Pitt als erster. Er kam zu ihm herüber. »Ich bin froh, daß du wieder da bist. Unser Funker wird bald wahnsinnig. Seit Tagesanbruch gehen pausenlos Funksprüche für dich ein. Der arme Kerl kommt mit dem Schreiben schon gar nicht mehr nach.«
Pitt nickte. »Gut, ich werde mal hinübergehen.« Er wandte sich an Giordino. »Versuche du inzwischen, unsere Prinzessin für ein paar Minuten ihren glühenden Verehrern zu entreißen, und bringe sie dann in Gunns Kabine. Ich möchte ihr gern ein, zwei ganz persönliche Fragen stellen.«
Giordino grinste. »So wie die Kerle sich benehmen, werden sie mich lynchen, wenn ich es versuche.«
»Wenn es haarig wird, kannst du ja einfach deine Pistole ziehen«, entgegnete Pitt spöttisch. »Aber vergiß bloß nicht wieder, sie zu entsichern.«
Giordino klappte der Mund auf. Bevor er noch etwas erwidern konnte, waren Pitt und Gunn schon auf und davon.
Der Funker, ein junger Schwarzer Anfang zwanzig, sah auf, als sie den Funkraum betraten. »Da ist eben etwas für Sie eingegangen«, wandte er sich an Gunn und reichte ihm einen Funkspruch.
Gunn überflog die Nachricht, dann zog sich langsam ein breites Lächeln über sein Gesicht.
»Hör dir das an. ›An Commander Gunn, Kapitän des NUMA-Forschungsschiffes
First Attempt
. In was für einem gottverdammten Wespennest stochern Sie da herum? Sie sollen wissenschaftliche Untersuchungen machen und nicht Räuber und Gendarm spielen! Ich erteile Ihnen hiermit den Befehl, die örtliche Vertretung der INTERPOL nach allen Kräften ich wiederhole: nach allen Kräften – zu unterstützen. Und kommen Sie mir nicht ohne diesen vermaledeiten Hexenfisch heim! Admiral James Sandecker, NUMA, Washington‹«
»Der Admiral ist auch nicht mehr der alte«, murmelte Pitt.
»Er hat nur einmal das Wort ›gottverdammt‹ benutzt.«
»Kannst du mir vielleicht verraten, inwiefern wir die INTERPOL überhaupt unterstützen können?« fragte Gunn sanft.
Pitt überlegte einen Moment. Es war noch zu früh, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Er hätte Gunn damit nur vor eine schwierige Entscheidung gestellt. »Von uns hängt es möglicherweise ab, ob von Till und seiner Organisation der Garaus gemacht werden kann«, antwortete er ausweichend.
»Wir müssen dabei natürlich etliche Risiken eingehen, doch was auf dem Spiel steht, lohnt den Einsatz.«
Gunn nahm seine Brille ab und sah Pitt prüfend an. »Um was geht es?«
»Um Heroin. Um so viel Heroin, daß man damit die ganze Bevölkerung der USA und Kanadas in einen Rausch versetzen könnte«, erwiderte Pitt langsam. »Um hundertdreißig Tonnen, genau gesagt.«
Gunn zeigte sich nicht im geringsten überrascht. Ruhig hielt er seine Brille gegen das Licht und suchte nach Schmutzflecken auf den Gläsern. Als keine zu entdecken waren, setzte er sie wieder auf.
»Eine hübsche Menge. Warum hast du mir nicht schon gestern, als du das Mädchen an Bord brachtest, davon erzählt?«
»Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch kaum etwas in der Hand.
Zwar weiß ich auch jetzt nur wenig mehr; aber ich habe die berechtigte Hoffnung, das ganze Verwirrspiel mit einem Schlag aufdecken zu können.«
»Und was soll ich dazu beitragen?«
»Ich habe ein kleines Tauchmanöver vor. Dazu brauche ich jeden gesunden Mann, der mit einem Tauchgerät und mit Harpunen, Tauchermessern und ähnlichem umzugehen weiß.«
»Welche Garantie kannst du mir geben, daß keiner von ihnen verletzt wird?«
»Überhaupt keine«, erwiderte Pitt leise.
Gunn sah Pitt unbewegt an. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. »Weißt du eigentlich,
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