Der Todesflieger
Klippen zurück.
Pitt vernahm das Echo bereits nicht mehr. Die Taucherbrille gegen das Gesicht gepreßt und die Harpune fest umklammert, sprang er los.
Sowie das Wasser über seinem Kopf zusammengeschlagen war, rollte er sich nach vorn ab, stieß mit aller Kraft die Flossen nach hinten und tauchte eilig davon. Erst als er fünf Meter weit gekommen war, wagte er, den Kopf zu wenden. Schräg über sich sah er den Rumpf des Schiffes davongleiten. Die beiden Schrauben erschienen gefährlich nahe – und viel größer, als sie es in Wirklichkeit waren; ein Phänomen, das mit der Lichtbrechung des Wassers zusammenhing.
Pitt hielt nach den anderen Ausschau. Erleichtert atmete er auf: Gott sei Dank, allen war der Absprung geglückt. Dicht hintereinander kamen Knight, Thomas, Spencer und Hersong auf ihn zugetaucht. Nur Woodson hatte den Anschluß verloren und hing vielleicht sechs Meter weit zurück.
Die Sicht war wirklich erstaunlich klar. In einer Entfernung von ungefähr fünfundzwanzig Metern schwamm ein Krake vorbei, dessen violettfarbene Fangarme selbst auf diese Distanz noch deutlich zu erkennen waren. Unter Pitt huschten geschäftig ein paar häßlich aussehende, gelbblau leuchtende Spinnenfische über dem Meeresgrund hin und her. Bizarr hoben sich die langen, dünnen Kiemenstacheln von den schuppenlosen Körpern ab. Eine geheimnisvolle, eigenartige Welt eröffnete sich den Tauchern, eine Welt, in deren stillen Tiefen die sonderbarsten Geschöpfe zu Hause waren und die eine solche Fülle phantastischer Formen und Farben in sich barg, daß sie zu beschreiben unmöglich war. Doch hatte diese Welt stets auch etwas Unheimliches und Beängstigendes an sich. Die vielfältigsten Gefahren lauerten hier – von den rasiermesserscharfen Zähnen des Hais angefangen bis zum tödlichen Gift des so harmlos aussehenden Zebrafisches. Die See war in all ihrer Schönheit faszinierend und furchtbar zugleich.
Um den Druck auszugleichen, blies Pitt kräftig durch die Nase in seine Taucherbrille. Als seine Ohren aufklappten, begann er tiefer zu tauchen und sich langsam an den Meeresgrund heranzuarbeiten.
In etwa zehn Metern Tiefe ging der zarte rötliche Schimmer des Wassers in ein weiches Türkis über. Pitt tauchte noch fünf Meter tiefer, dann legte er eine kurze Verschnaufpause ein.
Er betrachtete aufmerksam den Meeresgrund, der hier einer unterseeischen Wüste glich: öder, unbewachsener Sandboden, über den sich in langen Wellen winzige Dünen hinwegzogen.
Abgesehen von gelegentlich im Sand vergrabenen Seezungen, von denen nur die beiden Augen und ein Teil des Mauls hervorschauten, war keine Spur von Leben zu entdecken.
Sich immer dicht über dem Grund haltend, tauchten Pitt und seine Leute auf die Küste zu.
Nach kurzer Zeit schon begann sich der Boden zu heben, und das Wasser wurde trüber – eine Folge der Brandung. Im Zwielicht tauchte eine seegrasbewachsene Felswand vor ihnen auf.
Und plötzlich befanden sich die Taucher am Fuße einer jähen Klippe, die fast senkrecht emporstieg und dann die spiegelnde Wasseroberfläche durchbrach. Pitt bedeutete seinen Leuten, nach der Höhle auszuschwärmen.
Die Suche dauerte keine fünf Minuten. Woodson entdeckte sie als erster. Er pochte mit seinem Messer gegen die Sauerstoff-Flasche, um sich bemerkbar zu machen, und winkte die anderen herbei. Dann tauchte er weiter die Klippe entlang, über einen mit Seegras verhangenen Felsspalt hinweg, hielt an und deutete mit ausgestrecktem Arm voraus. Jetzt sah auch Pitt die Höhle: ein schwarzes, gähnendes Loch, nur knapp vier Meter unterhalb der Wasseroberfläche. Sie besaß etwa die Ausmaße eines Lokomotivschuppens – ein U-Boot konnte also ohne Schwierigkeiten in sie einfahren. Langsam und zögernd schwammen die Männer auf sie zu. Gespannt und fragend blickten sie sich an.
Pitt faßte sich als erster ein Herz und schwamm in die Höhle hinein. Die Finsternis verschluckte ihn im wahrsten Sinne des Wortes. Seine weiß schimmernden Fersen waren alles, was die anderen draußen noch von ihm wahrnahmen. Vorsichtig tauchte er den Tunnel entlang. Ein leichter Sog zog ihn sanft vorwärts.
Rasch ging das helle Türkis der sonnenbeschienenen See in ein dämmriges, dunkles Blau über. Es dauerte eine Weile, bis Pitts Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten und er seine Umgebung genauer erkennen konnte.
Normalerweise hätte die Höhle ein Tummelplatz aller möglichen Meerestiere sein müssen.
Man hätte hier unzählige Taschenkrebse,
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