Der Todesflug der Cargo 03
»Sind Sie Dirk Pitt?« fragte Jarvis. Pitt nickte. »Sie sind Jarvis, nehme ich an.«
»Ja.«
Mit einer raschen Bewegung schob sich Pitt unter dem Wagen hervor und stand auf. »Haben Sie mein kleines Versteck ohne Schwierigkeiten gefunden?«
Jarvis nickte. Unschlüssig betrachtete er Pitts Öl verschmierten Monteuranzug und fixierte dann das schmutzige Gesicht und das ungekämmte Haar seines Gegenübers. »Wohnen Sie etwa hier?«
»Ich habe ein Appartement im ersten Stock der Halle«, erklärte Pitt und deutete auf eine verglaste Zwischenetage, die auf der Stirnseite der Flugzeughalle in halber Höhe eingezogen war.
» Sie haben da eine herrliche Oldtimer-Sammlung«, sagte Jarvis anerkennend und machte eine Kopfbewegung zu den Ausstellungsstücken. »Was ist das für ein Wagen dort, der mit den riesigen schwarzen Kotflügeln?«
»Ein Maybach Zeppelin Baujahr 1936«, gab Pitt zur Auskunft. »Und der hier, an dem Sie gearbeitet haben?«
»Das Lieblingsauto von Al Capone«, sagte Pitt. »Mein teuerstes Stück.«
»Wie schade, dass die früheren Besitzer ihre Fahrzeuge nicht immer sehr pfleglich behandelt haben«, sagte Jarvis und durchbohrte mit seinem Zeigefinger die völlig durchgerostete Motorhaube eines alten Renaults. »Die meisten dieser Autos scheinen jahrelang draußen gestanden zu haben.«
»So kann man’s auch sagen«, lächelte Pitt verschmitzt. »Die meisten dieser alten Schlitten haben jahrzehntelang im Wasser gelegen.«
Jarvis schaltete sofort. »An Bord der untergegangenen ›Titanic‹?«
»Genau. Ich durfte diese Autos nach der erfolgreichen Bergungsaktion behalten. Eine Art Bonus, weil man mit mir zufrieden war.«
Pitt machte eine auffordernde Verbeugung und geleitete seinen Besucher die stählerne Treppe zu seinem Appartement hinauf. Jarvis trat ein. Sein Auge wurde von der ungewöhnlichen Ausstattung der Räumlichkeiten gefangen genommen. Der Besitzer der Wohnung – so konnte man aus den Einzelheiten des Interieurs schließen war ein weit gereister Mann, der ungewöhnliche Fundstücke aus der ganzen Welt hier zusammengetragen hatte. Taucherhelm der vergangenen Jahrhunderte schmückten die Wände. Historische Kompasse, die Steuerräder versunkener Schiffe, geheimnisvolle alte Schiffsglocken, sogar mittelalterliche Nägel und seltsam geformte antike Flaschen – alle Objekte waren mit sauberen kleinen Schildern gekennzeichnet. Auf jedem der Schilder war der Name des Schiffes vermerkt, aus dem Pitt das betreffende Stück geborgen hatte. Es war ein Museum – und zugleich die illustrierte Lebensgeschichte eines passionierten Tiefseetauchers.
Jarvis machte es sich in einem Ledersofa bequem, das Pitt ihm anbot. Er verschränkte die Arme über seinen Knien und beugte sich vor. »Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, Mr. Pitt?«
»Nein.«
»Hatten Sie keine Bedenken, einen völlig Unbekannten zu sich einzuladen?«
»Ich habe nun einmal eine Schwäche für ungelöste Geheimnisse«, grinste Pitt. »Es passiert einem schließlich nicht jeden Tag, dass man unter seinem Scheibenwischer einen Zettel mit der Telefonnummer vom Nationalen Sicherheitsdienst findet. Darf ich fragen, warum Sie mich sprechen wollten, Mr. Jarvis?«
»Gern, Mr. Pitt«, sagte Jarvis. »Legen wir die Karten auf den Tisch. Was ist der wahre Grund, warum die NUMA wie geistes krank einen bestimmten Typus vorsintflutlicher Schiffsgranaten sucht?«
»Möchten Sie nichts zu trinken?« sagte Pitt ausweichend. »Danke, nein«, antwortete Jarvis und musterte Pitt prüfend.
»Sie kennen doch die Aufgabe der NUMA. Dann wissen Sie auch, wofür wir die Marinegranaten brauchen.«
»Für seismologische Tests?« Pitt nickte.
Jarvis lehnte sich zurück und streckte seine Arme auf der Rücklehne des Sofas aus. »Wann finden die Tests statt?«
»März nächsten Jahres.«
»Sehr schön.« Jarvis blickte Pitt mit einem väterlichen Lächeln an. Dem wurde es ungemütlich. »Dann werde ich einmal Ihre Wissenslücken in der Erdbebenforschung beseitigen, Mr. Pitt«, begann er. »Ich habe eingehende Gespräche mit vier Erdbebenforschern geführt. Zwei von ihnen arbeiten bei der NUMA. Alle vier Spezialisten sind sehr erstaunt über Ihre Idee, Vierzigzentimetergranaten, die ursprünglich für Schiffsgeschütze bestimmt sind, auf ein Korallenriff fallen zu lassen, um dann seismographische Messungen vorzunehmen. Um es genau zu sagen, meine vier Gesprächspartner fanden diese Idee sogar ausgesprochen idiotisch. Es steht außerdem fest, dass die
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