Der Todesflug der Cargo 03
tot sein. Wäre die »Iowa« auf der Sandbank steckengeblieben, hätten sie eine Chance gehabt. Das Schicksal hatte es anders gewollt. Fawkes hatte Glück, dachte Emma. Verdammtes Glück…
56
Der amerikanische Präsident saß an der Kopfseite eines langen Konferenztisches in der Kommandozentrale, die für Katastrophenfälle in einer Tiefe von einhundertzwanzig Metern unter dem Weißen Haus errichtet worden war. Ungehalten sah er Dale Jarvis an. »Das letzte, was ich jetzt zu Ende meiner Amtszeit brauchen kann, ist eine Krise. Vor allen Dingen habe ich wenig Verständnis dafür, dass Sie eine Sache hochspielen, die in aller Ruhe nach meiner Amtszeit ge regelt werden kann.«
Jarvis musterte den mächtigsten Mann der Vereinigten Staaten.
Der Präsident war für sein aufbrausendes Temperament bekannt. Mehr als einmal hatte Jarvis die unkontrollierten Wutausbrüche des Präsidenten erlebt, bei denen sein berühmter Schnurrbart, das Lieblingsobjekt der Karikaturisten, vor Zorn erbebte. Jarvis dachte nach. Er, der Leiter des Nationalen Sicherheitsdienstes, hatte nichts zu verlieren. Nichts als seinen Job…
»Ich würde Sie und die Minister nicht aus dem Schlaf holen, Herr Präsident, wenn dafür nicht wichtige Gründe vorlägen.«
Verteidigungsminister Timothy March holte tief Luft und setzte zu einer vermittelnden Stellungnahme an. »Was Jarvis sagen will, ist…«
»Was ich sagen will«, fiel ihm Jarvis ins Wort, »ist, dass in der Chesapeake Bay ein Schiff mit unbekannter Besatzung herumfährt, das bakteriologische Waffen an Bord hat. Waffen, die innerhalb weniger Minuten jedes menschliche Leben einer ganzen Großstadt auslöschen können. Waffen mit tödlicher Wirkung, die noch zig Generationen andauert!«
General Higgins sah Jarvis zweifelnd an. »Ich kenne keine Waffe mit diesen Eigenschaften. Alle Giftgase und bakteriologischen Waffen sind auf Regierungsbeschluß schon vor Jahren vernichtet worden. Niemand in den USA hat die Möglichkeit, an derartige Waffen heranzukommen.«
»Das ist das leere Gewäsch, das Sie den Wählern draußen im Lande um die Ohren hauen«, sagte Jarvis zornig. »Jeder hier im Raum weiß, dass das gelogen ist. Tatsache ist, dass die Armee zu keinem Zeitpunkt aufgehört hat, Giftgase, Kampfgifte und bakteriologische Waffen zu entwickeln und zu lagern.«
»Mäßigen Sie sich, Jarvis!« Um die Lippen des Präsidenten spielte ein dünnes Lächeln, das durch den Schnurrbart – so schien es Jarvis – zu der zweifelhaften Imponiergebärde eines Vorstadtcasanovas abgefälscht wurde. Es war bekannt, dass es dem Präsidenten ein perverses Vergnügen bereitete, seine Untergebenen zu beobachten, wenn sie sich in die Haare gerieten. Schweigend betrachtete er General Higgins und Jarvis, die sich wutschnaubend gegenübersaßen. Nachdem er die Situation lange genug genossen hatte, lehnte er sich in seinem Lederstuhl zurück, drehte sich leicht zur Seite und platzierte das linke Bein so, dass die Kniekehle bequem über der linken Armlehne zu liegen kam. »Ich bin untröstlich, General Higgins«, sagte er mit spöttisch gekräuselten Lippen. »Für den Augenblick bin ich dafür, dass wir die Warnung von Jarvis ernst nehmen.« Er wandte sich zu Admiral Kemper, dem Befehlshaber der Marine, der ihm schräg gegenübersaß. »Joe, wie unser guter Jarvis hier beteuert, findet die Sache auf dem Wasser statt. Das wäre dann Ihr Bier!«
Kemper nickte. Wieder fiel es Jarvis auf, dass Kemper, der die mächtigste Flotte der Welt befehligte, überhaupt nicht militärisch aussah. Er war dick, hatte weiße Haare und wirkte wie ein gemütlicher Geschäftsmann in den Fünfzigern. Man konnte ihn sich viel eher vorstellen, wie er einem als seriöser Abteilungsleiter eines renommierten Warenhauses auf den mit dicken Spannteppichen belegten Gängen der Abteilung Pelzmäntel entgegenkam. Aufmerksam betrachtete Admiral Kemper die Notizen, die er sich während des Wortwechsels zwischen Jarvis, March und Higgins gemacht hatte.
»Es gibt zwei Faktoren, die die Warnung von Mr. Jarvis erhärten. Erstens einmal wissen wir, dass das Kriegsschiff ›Iowa‹ an die Walvis Bay Investment, eine Deckadresse für die Afrikanische Revolutionsarmee, verkauft worden ist. Zweitens steht fest, daß dieses Schiff nicht verschrottet, sondern umgebaut wurde. Nach den Satellitenaufnahmen von gestern lag es in den Docks der Forbes-Werft.«
»Und wo ist die ›Iowa‹ jetzt?« fragte der Präsident.
Kemper antwortete nicht. Er drückte auf
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