Der Todesflug der Cargo 03
starrte Fergus an. Noch nie hatte er einen Anblick von soviel Hass erlebt. Die Entfernung zwischen den beiden Männern betrug nur vier Meter.
Es war ein stilles Einverständnis, dass kein Wort gewechselt wurde. Die Zeit schien angehalten.
Hiram Lusana fühlte, dass dieser Augenblick das Ende seiner bewegten Laufbahn sein würde. Es war ihm klar geworden, dass er, der Amerikaner, nie ganz als Führer jener afrikanischen Schwarzen anerkannt werden würde, für deren Befreiung er kämpfte. Der Weg, die einzige Straße, die er jetzt gehen konnte, lag klar vor ihm. Er war entschlossen, für die Sache der Schwarzen als Märtyrer zu sterben.
Im vollen Bewusstsein, dass jeder Schritt weiter seinen Tod bedeuten würde, ging er auf die Reling zu. Fergus betätigte den Auslöser seiner automatischen Waffe. Von drei Kugeln getroffen zuckte Lusana zusammen. Er hatte das Gefühl, als ob ihm eine unbekannte Kraft die Luft aus den Lungen presste. Trotz des unvorstellbaren Schmerzes torkelte er weiter. Fergus schoss erneut.
Lusana sackte in die Knie. Mit einem Gemisch von Hass und Bewunderung sah Fergus zu, wie sein Gegner trotz etwa zwölf Kugeln, die in seinem Körper stecken mussten, weiter auf die Reling zukroch. Was beseelte diesen Mann, im Angesicht des Todes sei nen Gang an den Rand des Oberdecks, kriechend und von Schmerzen gepeinigt, zu Ende zu führen?
Mit der Entschlossenheit eines Mannes, der Zeit seines Lebens nie hatte aufgeben wolle, robbte Lusana weiter auf die Reling zu.
Wie eine Reliquie hielt er den Sack mit den ST-Splitterbomben an sich gepresst. Eine Blutspur bezeichnete den Weg, den er zurücklegte. Nur noch einen Meter! Trotz der Dunkelheit, die seine Sinne zu umfangen begann, zwang sich Lusana zu der letzten Anstrengung, die – das wusste er – so viele Menschen vor dem Tode retten würde. Er warf den Sack über Bord.
Dann schoss das Blut in Strömen aus seinen Mundwinkeln. Er brach zusammen und spürte, wie er in die unermessliche Tiefe einer gnädigen Unendlichkeit weg glitt.
Im Innern des Geschützturms roch es nach Blut, Schweiß und Öl. Die meisten Mitglieder der Mannschaft hatten einen Schock erlitten. Andere lagen, in verrenkten Stellungen, leblos am Boden. Das Blut rann aus ihren Mündern. Ein Schlachthaus! dachte Fawkes. Und ich bin der Schlächter – nicht besser als jene, die meine Familie abgeschlachtet haben. Er blickte in den Fahrstuhlschacht hinunter, der zum Waffenmagazin führte. Ein erstickender Geruch von verbranntem Pulver, der aus dem Inneren des Schiffes zu kommen schien, drang nach oben. Fawkes sah um sich. Wer hier blieb – so wurde ihm klar – erstickte. Die wenigen Manner, die die furchtbare Erschütterung vom Aufprall der Devil-Geschosse überlebt hatten, würden nun an dem Sauerstoffmangel, der im Geschützturm herrschte, sterben.
»Macht die Luke auf!« befahl er. »Wir brauchen hier dringend frische Luft!«
»Die Luke ist verklemmt, Käptn«, sagte einer der Männer. »Bewegt sich keinen Millimeter.«
»Die Ventilatoren! Warum arbeiten die Ventilatoren nicht?«
»Kurzschluss«, sagte ein anderer von der Mannschaft röchelnd.
Mussten denn alle diese Männer sterben, ging es Fawkes durch den Kopf. War er zum Totengräber dieser unschuldigen Schwarzen bestellt?
An den Körpern der Erstickenden und Toten vorbei, arbeitete er sich bis zu der Luke durch, die das Innere des stickigen Geschützturms von der frischen Luft und Außenwelt trennte. Prüfend betrachtete er die verbogene Stahlplatte, die mit ihrer Dicke von zwanzig Zentimetern der Sargdeckel für die Mannschaft der »Iowa« zu werden drohte.
Hinter Fawkes war ein Räuspern zu hören. Er drehte sich um.
Shaba stand vor ihm.
»Ich dachte, Sie könnten vielleicht dieses Werkzeug gebrauchen, Sir.« Er gab Fawkes eine etwa 1,20 m lange und sechs Zentimeter dicke Eisenstange. Fawkes verlor keine Zeit mit Dankesbezeugungen. Er zwängte die Stange in die Ritze, die sich an der verbogenen Luke des Geschützturms auftat und versuchte, die Tür nach außen wegzusprengen.
Er war nicht erstaunt, als er merkte, dass die verklemmte Stahlplatte keinen Millimeter nachgab.
Ein weiteres Mal setzte er an. Er drückte so stark, dass die Adern an seinen Schlägen zu zerspringen drohten. Fasziniert sah ihm Shaba zu. Noch nie hatte er eine solche Demonstration von Kraft und Willen gesehen. Schweißtropfen fielen von Fawkes Stirn, seine Nackenmuskeln zitterten vor Anstrengung. Langsam, unendlich langsam, öffnete sich die
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