Der Todesflug der Cargo 03
mitten auf der Straße stehenblieb und nun mit seinen beiden Waffen zum Angriff ausholte. Zuerst dachte Fawkes, sein Angreifer habe ihn verfehlt, weil er hörte, wie der Speer das metallene Dach des Wagens traf und abprallte. Im gleichen Augenblick jedoch zerbarst die Windschutzscheibe in tausend Stücke. Der Stein verfehlte Fawkes Kopf nur um Haaresbreite und landete neben ihm auf dem Sitz. Ohne jeden Schmerz, wie jemand, der mit der ganzen Sache eigentlich nichts zu tun hatte, spürte Fawkes, wie die winzigen Glassplitter der zerbrechenden Scheibe ihm die Gesichtshaut zerschnitten. Er erinnerte sich später, dass in diesem Augenblick weniger der Schmerz von der Verletzung als das hilflose Erstaunen über den kalten Haß in den Augen seines jugendlichen Angreifers für ihn von Bedeutung gewesen war.
Ein fast unmerklicher Ruck ging durch den Wagen, als die Frontpartie auf den Körper des Jungen auftraf, der von dem Aufprall unter die Räder geschleudert wurde. Fawkes trat mit aller Gewalt auf die Bremse, aber es war zu spät. Er spürte, wie das schwere Fahrzeug über den Körper des Jungen hinwegrollte, und hörte, wie Knochen, Haut und Sehnen in einem ekelhaften Geräusch zu entseelter Materie zermalmt wurden.
Einige Meter weiter gelang es ihm, den Wagen zum Stehen zu bringen. Er stieg aus und ging, indem er sich vorsichtig nach allen Seiten umsah, zu der Stelle zurück, wo der Körper des Jungen lag. Sein Angreifer war tot. Sein Schädel war nach dem Aufprall direkt unter die Reifen geraten und zerquetscht worden, auch die Gliedmaßen wirkten verrenkt und gebrochen wie die einer unbrauchbar gewordenen Marionette. Geschockt wandte sich Fawkes von denblutigen Überresten seines Widersachers ab. Der andere Angreifer, der von dem zurückstoßenden Jeep zur Seite geschleudert worden war, lag regungslos in dem algenübersäten Sumpf seitlich der Straße. Sein Kopf war in einer seltsamen Stellung nach hinten gebogen, er hatte sich das Genick gebrochen. Fawkes hielt Ausschau nach dem dritten Angreifer, den er im Rückspiegel gesehen hatte. Aber der war wie vom Erdboden verschluckt.
Er hob das Gewehr auf, das neben dem toten Jungen im Sumpf lag, entlud es und prüfte die Mechanik. Bald fand er heraus, dass sein Angreifer mit diesem Gewehr keinen Schuß hatte abgeben können, weil der Zündmechanismus defekt war. Fawkes warf das Gewehr, so weit er konnte, in den Sumpf hinein und sah zu, wie es versank.
Dann ging er zur anderen Straßenseite hinüber und blickte in den Abgrund, den er bei seinem erzwungenen Halt nur schemenhaft hatte mustern können. Die Reifenspuren, die er bemerkt hatte, führten ihn zu einem mittelgroßen Lastkraftwagen, der 20 oder 30 m unterhalb der Straße, mit den Rädern nach oben, im Felsgeröll lag. Die Türen waren geöffnet, verbogen und geborsten.
Zwei leblose Körper lagen unmittelbar neben dem Fahrzeugwrack, ein Mann und eine Frau, beides Europäer. Sie waren ermordet und auf abstoßende Weise verstümmelt worden. Ein dicker Schwärm von bläulich schimmernden Fliegen hatte sich auf den blutüberströmten Leichen niedergelassen.
Fawkes prüfte sorgfältig die Verletzungen, an denen der Mann und die Frau zu Tode gekommen sein mußten. Bald stand für ihn fest, dass die drei jungen Afrikaner diese beiden Reisenden, ähnlich wie ihn, oben auf der Straße überfallen hatten. Es war ihnen gelungen, den Fahrer zu verletzen, den Wagen dann, samt seinen beiden Insassen, in den Abgrund zu stürzen. Dort wurden die beiden verletzten Weißen sodann von ihren jugendlichen Angreifern in einem quälenden Gemetzel zu Tode gebracht. Im Hochgefühl über ihren Erfolg waren die Jungen dann auf die Straße zurückgerannt, um dort ihrem nächsten Opfer aufzulauern.
»Diese armen dummen Kinder!« sagte Fawkes, wie zu sich selbst, in die Totenstille hinein, die ihn umgab. »Mein Gott, wie soll das hier alles enden?«
Wie benommen stand er eine Weile lang tatenlos auf dem Schauplatz der blutigen Ereignisse. War denn wirklich alles, was er und die anderen Weißen in Südafrika geschaffen hatten, umsonst gewesen? Fawkes kam sich vor wie ein Marathonläufer, der wenige Meter vor dem Ziel kraftlos zusammenbricht. Erschöpfung und tiefe Mutlosigkeit überfielen ihn. Langsam, wie in Trance, kletterte er die steile Böschung zur Straße hoch, bestieg seinen Geländewagen und wischte sich mit einem Tuch die Blutspuren aus seinem kreuz und quer zerschnittenen Gesicht ab. Dann betätigte er das Funkgerät und
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