Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
passieren müssen.«
»Vielleicht«, räume ich ein. »Es ist aber auch möglich, dass du nichts gefunden hättest, selbst wenn du das ganze Haus auf den Kopf gestellt hättest. Und dass du am Ende ebenfalls auf Selbstmord gekommen wärst.« Ich zögere, als mir ein Gedanke kommt. »Weißt du, was das wirklich Schlimme ist? Dass es keine Rolle gespielt hätte. Sarah hatte keine Familie mehr. Wenn der Täter keinerlei forensische Beweise hinterlassen hat – und ich wette, dass es so ist –, wäre das Ergebnis für Sarah das Gleiche gewesen, selbst wenn die Cops ihr damals geglaubt hätten.«
»Waisenhaus und Pflegeeltern und all das Schlimme, das sie ertragen musste«, sagt Alan.
»Ja. Heute haben wir den Vorteil neuer Informationen und später Einsichten. Konzentrieren wir uns darauf, die Dinge richtigzustellen.« Ich wende mich an Callie. »Ich möchte, dass du dich mit Gene in Verbindung setzt. Durchkämmt dieses Haus von oben bis unten. Vielleicht finden wir etwas, jetzt, wo endlich jemand richtig hinsieht.«
»Mit Vergnügen.«
»Mach dich sofort an die Arbeit. Du kannst den Wagen nehmen. Ich fahre mit Alan zurück.«
Callie nickt. Ich spüre, wie sie kurz mit sich ringt und sehe, wie eine Hand zur Jackentasche gleitet.
Schmerzen, wird mir bewusst. Sie hat einen plötzlichen Schmerzanfall. Ich sehe in ihren Augen, dass sie weiß, dass ich es weiß. Ich erhalte ihre Botschaft in hell leuchtendem Neon: Lass mich in Ruhe. Geht dich nichts an. Ist meine Privatangelegenheit.
»Was ist mit mir?«, fragt Barry in das Schweigen hinein. »Nicht, dass ich nicht reichlich zu tun hätte … es gibt andere Morde, und dieser Fall liegt nicht gerade in meiner Zuständigkeit. Gott sei Dank kenne ich einen weiblichen Detective, der im Revier von Malibu arbeitet.«
»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie auf meine Bitte hergekommen sind, Barry, ehrlich.«
Sein Lächeln ist schwach. Er zuckt die Schultern. »Sie rufen nur, wenn es etwas wirklich Wichtiges gibt, Smoky. Also komme ich. Was brauchen Sie sonst noch von mir?«
»Sämtliche Beweise. Insbesondere die Waffe, mit der Linda sich das Leben genommen haben soll.«
»Wird erledigt. Heute noch.«
»Da ist noch etwas.«
»Und was?«
»Ich möchte, dass Sie sich die Detectives ansehen, die damals den Fall bearbeitet haben. Diskret, versteht sich.«
Eine lange Pause, während er über meine Bitte nachdenkt – und den Grund dafür.
»Sie meinen, einer von ihnen könnte der Täter sein?«
»Die Arbeit war miserabel. Ich habe zwar schon schlampigere Arbeit gesehen, und ich verstehe, wie die Beamten damals zu ihren Schlussfolgerungen gelangen konnten, doch ich kann nicht begreifen, weshalb niemand sich je genauer mit Sarahbefasst hat. Ich sehe zwar Notizen von Cathy Jones, obwohl sie damals noch feucht hinter den Ohren war, aber ich sehe keine Vernehmung Sarahs durch die zuständigen Detectives. Ich möchte wissen, warum das so ist. Aber wenn ich selbst herumstochere, alarmiere ich alle möglichen Leute.«
Barry seufzt und schüttelt den Kopf »Scheiße. Ja. Sicher. Ich kümmere mich darum.«
»Danke, Barry.«
Ich lasse den Blick schweifen, denke nach. Nehme das Grab in mich auf, das einmal ein Haus gewesen ist. Ich nicke, zufrieden, dass wir für den Augenblick gehen können.
»Gehen wir«, sage ich zu Alan.
»Wohin?«
»Gibbs. Ich möchte diesen Anwalt kennenlernen.«
»Sobald er nur die Lippen bewegt, lügt er, Zuckerschnäuzchen«, sagt Callie.
Wir gehen zusammen zur Tür und nach draußen.
»Was machen Sie denn, wenn Ihre Lippen sich bewegen, Rotschopf ?«, fragt Barry.
Callie grinst. »Die Welt erleuchten. Was sonst?«
Typisch Callie , denke ich. So ist sie immer, und so wird sie bleiben, Schmerzmittel oder nicht. Eine vorlaute Freundin mit einer Vorliebe für mexikanisches Junkfood und Donuts.
Wir steigen in unsere Fahrzeuge und fahren in verschiedene Richtungen davon.
»Wie lange brauchen wir bis zu Gibbs?«, frage ich Alan.
Er blickt auf die Uhr im Armaturenbrett. »Ungefähr vierzig Minuten, würde ich sagen.«
»Dann nutze ich die Zeit zum Lesen.«
Ich ziehe das Tagebuch aus meiner Handtasche.
Sie ist er , denke ich, und er ist sie.
Sarah ist ein Mikrokosmos. Der Künstler zeigt sie uns, um uns ein Gefühl für sein eigenes Leben zu vermitteln. Indem ich verstehe, was Sarah durchgemacht hat, bekomme ich eineschwache Ahnung von dem, was er selbst durchgemacht hat. Mehr bekomme ich für den Augenblick nicht.
Ich lehne mich zurück. Draußen
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