Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Kuchen und Freundinnen gefeiert und war traurig und wütendgewesen. Sie hatte Karen angeschrien; dann war sie weggerannt. Seither hatte sie ein Jahr lang Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, und diesmal war sie auf die Frage vorbereitet.
»Ja, Ms. Watson. Ich glaube, ich weiß es jetzt.«
Sarah wollte raus aus diesem Heim. Karen Watson war der Schlüssel. Aktiva und Passiva.
Karen nahm Sarahs Kapitulation lächelnd entgegen. »Ja. Ich denke, du hast deine Lektion tatsächlich gelernt.« Sie erhob sich. »Pack heute Abend deine Sachen. Ich bringe dich morgen zu einer neuen Familie.«
Sarah sah ihr hinterher, als sie ging. Sie grinste in sich hinein.
Fick dich, du altes Miststück.
Sarah war zurück in ihrem Zimmer und starrte erneut auf die Matratze des Bettes über ihrem eigenen, als Kirsten zurückkehrte. Beide Augen des größeren Mädchens waren blau und geschwollen. Ihre Nase war geschient, die Lippen genäht. Sie humpelte und zuckte beim Atmen zusammen. Sie ging zu ihrem eigenen Bett, außerhalb von Sarahs unmittelbarem Blickfeld. Sarah hörte, wie die Pritsche knarrte, als Kirsten hineinkletterte. Dann war Stille. Sie waren allein.
»Du hast mir ein paar Rippen gebrochen, Langstrom.«
Kirsten klang überhaupt nicht wütend.
»Tut mir leid«, sagt Sarah, obwohl es sich anders anhörte.
»Du konntest nicht anders.«
Wieder ein längeres Schweigen.
»Warum packst du deine Sachen?«
»Ich komme morgen zu neuen Pflegeeltern.«
Erneutes Schweigen.
»Ja dann … viel Glück, Langstrom. Nichts für ungut.«
»Ja. Danke.«
Sarah stellte schockiert fest, dass ihr ein paar Tränen über die Wangen kullerten. Die Worte ihrer einstigen Feindinhatten sie berührt – auf eine Weise, die sie nicht verstand. Doch sie wusste, wem sie dankbar sein musste.
»Danke, Mommy«, flüsterte sie.
Und wischte die Tränen ab.
Aktiva und Passiva. Tränen waren Passiva.
KAPITEL 36
»Hi, Ms. Watson. Willkommen, Sarah. Kommt doch herein, bitte.«
Der Name der Frau war Desiree Smith, und Sarah mochte sie vom ersten Augenblick. Desiree war Anfang dreißig und sah wie eine freundliche Seele aus – fröhliche Augen, lächelnde Lippen, ein offenes Buch. Sie war klein und schmutzigblond. Kräftig, ohne dick zu sein, und hübsch, ohne schön zu sein. Desiree hatte eine unkomplizierte Weltsicht und besaß eine aufrichtige, schlichte Wärme.
Sarah musterte ihre neue Umgebung, sobald sie im Haus waren. Es war sauber, kein bisschen aufdringlich und angefüllt mit einem munteren Durcheinander, ohne unordentlich zu sein.
Desiree führte sie ins Wohnzimmer.
»Bitte nehmen Sie Platz, Ms. Watson. Du auch, Sarah«, sagte sie und deutete auf die Couch. »Darf ich Ihnen etwas bringen? Dir, Sarah? Mineralwasser? Kaffee?«
»Nein danke, Desiree«, sagte Ms. Watson.
Sarah schüttelte den Kopf und verneinte ebenfalls. Sie wusste, dass die alte Wachtel Watson es ihr übel nehmen würde, falls sie etwas nahm.
»Ich habe alles Erforderliche getan, genau wie wir es besprochen haben, Ms. Watson. Sarah hat ihr eigenes Zimmer, mit einem nagelneuen Bett. Ich habe ein paar zusätzliche Dinge im Kühlschrank, ich habe die Notfallnummern neben dem Telefon aufgehängt, und ich hab die nötigen Anmeldeformulare, um sie zur Schule zu schicken.«
Ms. Watson lächelte und nickte billigend.
Nur zu. Tu so, als würde es dich interessieren , dachte Sarah. Hauptsache du verschwindest, sobald du hier fertig bist.
»Gut, Desiree, sehr gut.« Ms. Watson griff in ihre abgewetzte Ledertasche und zog eine Akte hervor, die sie Desiree reichte. »Sarahs Impfungen sind da drin, außerdem ihre Schulzeugnisse. Sie müssen sie sofort anmelden.«
»Mach ich. Gleich am Montagmorgen.«
»Ausgezeichnet. Wo ist Ned?«
Desiree blickte besorgt drein und wrang die Hände.
»Er hat einen dringenden Auftrag erhalten, eine weite Tour. Es ist eine Menge Geld. Wir konnten nicht ablehnen. Er wollte wirklich hier sein, aber es ging nicht. Das ist doch kein Problem, oder?«
Ms. Watson schüttelte den Kopf und winkte ab. »Nein, nein. Ich habe ihn ja bereits kennengelernt, und die Überprüfung Ihrer Lebensläufe ist abgeschlossen.«
Desirees Erleichterung war nicht zu übersehen. »Das ist gut.« Sie blickte Sarah an. »Ned ist mein Mann, weißt du. Er ist Lastwagenfahrer. Er wollte wirklich sehr gerne hier sein, wenn du zu uns kommst, aber jetzt kommt er erst am Mittwoch zurück.«
Sarah lächelte die nervöse Frau an. »Macht doch nichts, Mrs. Smith. Wirklich
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