Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
starb.«
Ihre Worte sind schlicht und offen, doch ich kann den Schmerz dahinter spüren. Stiller Schmerz. Sie fährt fort: »Ich habe meine Eltern ohne jeden Grund verloren. Ich habe meinen Bruder an einem wunderschönen Sommertag verloren, und seine einzige Sünde bestand darin, dass er nicht kräftig genug strampeln konnte, um zurück an den Strand zu kommen.« Sie zuckt die Schultern. »Worauf ich hinauswill, Smoky … ich kenne deine Angst. Das Entsetzen, jemanden verlieren zukönnen, den man liebt.« Sie zieht die Hand weg und lächelt. »Und was tue ich? Ich verliebe mich in einen wunderbaren Mann, der eine gefährliche Arbeit macht, und liege nächtelang wach und habe Angst, nichts als Angst. Manchmal habe ich es an Alan ausgelassen. Ungerechtfertigt.«
»Ehrlich?« Es fällt mir schwer, das mit der Elaina in Einklang zu bringen, die ich kenne.
»Ehrlich. Manchmal denke nicht mal daran, dass ich Alan verlieren könnte, und schlafe wunderbar. Doch die Angst um ihn kommt immer wieder.«
»Warum hast du mir nie davon erzählt, dass du ein Waisenkind warst und deinen Bruder verloren hast?«
Sie zuckt die Schultern.
»Ich weiß nicht. Ich wollte es dir erzählen, damals, als du im Krankenhaus gelegen hast, habe es dann aber doch nicht getan.«
»Warum?«
»Du liebst mich, Smoky. Es hätte deinen Schmerz schlimmer gemacht, anstatt dir zu helfen.«
Sie hat recht.
Elaina lächelt. Es ist ein Lächeln, das viele Farben hat. Das Lächeln einer Frau, die weiß, dass sie das Glück hat, mit einem Mann verheiratet zu sein, den sie liebt, das Lächeln einer Mutter, die niemals eigene Kinder hatte, das Lächeln eines kahlen Rapunzels, das glücklich ist, am Leben zu sein.
Callie erscheint mit Bonnie an ihrer Seite. Beide mustern mich abschätzend.
»Sind wir bereit?«, fragt Callie. »können wir endlich anfangen?«
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Na klar.«
»Erklär uns, was wir machen«, sagt Elaina.
»Also. Es ist ein Jahr her, seit Matt und Alexa gestorben sind. Seitdem ist viel passiert.« Ich schaue Bonnie an und lächle. »Nicht nur in meinem Leben. Ich vermisse sie immer noch,und ich weiß, dass sich daran nie etwas ändern wird. Aber …« Ich benutze die gleiche Phrase, die ich früher am Tag Bonnie gegenüber benutzt habe. »Aber sie wohnen nicht mehr in diesem Haus. Ich rede nicht davon, die Erinnerung an sie auszulöschen. Ich behalte jedes Foto, jeden Film. Ich rede von den Dingen, die keinen Nutzen mehr für mich haben. Kleidung. Spielzeug. Persönliche Gegenstände. All die Dinge, die nur gebraucht würden, wenn Matt und Alexa noch hier wären.«
Bonnie sieht mich ohne Zögern oder Zurückhaltung an. Ich lächle ihr zu und lege meine Hand auf ihre.
»Wir sind hergekommen, um dir zu helfen«, sagt Elaina. »Sag uns einfach, was wir tun sollen. Möchtest du die Zimmer unter uns aufteilen? Oder gehen wir alle gemeinsam von einem Zimmer zum nächsten?«
»Gemeinsam.«
»Gut.« Sie zögert. »Mit welchem Zimmer fangen wir an?«
Ich fühle mich wie am Sofa festgeleimt. Ich glaube, Elaina spürt es. Deswegen drängt sie. Sie will, dass ich mich bewege, dass ich etwas tue.
Ich stehe in einer fließenden Bewegung auf. Es ist, als würde ich vom Fünfmeterbrett springen, ohne groß darüber nachzudenken. »Fangen wir in meinem Schlafzimmer an.«
Wir stellen eine Auswahl von Kisten zusammen, eine kunterbunte Mischung aus raschelnder Wellpappe, Karton und reißendem Klebeband. Dann tritt wieder Stille ein. Matt und ich hatten jeder unseren eigenen Schrank im Elternschlafzimmer. Ich blicke auf die Tür seines Kleiderschranks, und das Atmen fällt mir schwer.
»Herrje«, sagt Callie. »Es ist viel zu ernst hier drin.«
Sie geht zu den Fenstern und reißt die Plantageläden zuerst bei einem, dann beim zweiten, dann beim letzten auf. Sonnenlicht flutet ins Zimmer, ein Strom aus Gold. Callie öffnet die Fenster mit entschlossenen, beinahe wütenden Bewegungen.Es dauert einen Moment, bevor eine kühle Brise hereinströmt, gefolgt von den Geräuschen des Draußen .
»Wartet hier«, sagt sie und geht zur Schlafzimmertür.
Elaina sieht mich mit erhobenen Augenbrauen an. Ich zucke die Schultern. Wir hören, wie Callie die Stufen hinunterstampft, gefolgt von Geräuschen in der Küche; dann kommt sie wieder nach oben. Sie betritt das Schlafzimmer mit einem Ghettoblaster und einer CD in den Händen. Sie schließt den Ghettoblaster an, legt die CD ein und drückt auf PLAY. Ein stampfender Rhythmus
Weitere Kostenlose Bücher