Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
setzt ein, begleitet von einem Elektrogitarrenriff, das vertraut und eingängig ist. Es ist einer von den Songs, den ich tausend Mal gehört habe, ohne zu wissen, wie er heißt, und er bringt mich dazu, mit dem Fuß zu tappen.
»Hits aus den 70ern, 80ern und 90ern«, sagt Callie. »Sie machen gute Laune.«
Callie hat das Zimmer innerhalb von drei Minuten verwandelt. Es ist kein schattiges, düsteres Schlafzimmer mehr, sondern hell und freundlich. Ein ganz gewöhnliches Schlafzimmer an einem schönen Tag.
Ich schaue auf Bonnie hinunter. »Meinst du, wir schaffen das, Schatz?«
Sie lächelt mich an und nickt.
»Also dann«, sage ich, hole tief Luft, gehe zu Matts Kleiderschrank und öffne die Tür.
KAPITEL 6
Die Musik und die Sonne haben geholfen, wenigstens in meinem Schlafzimmer. Wir haben Matts Kleiderschrank ausgeräumt, ohne dass ich allzu traurig geworden bin.
Wir haben seine Hemden und Hosen, Pullover und Schuhe weggepackt. Matts Geruch war überall – und auch sein Geist. Es kam mir so vor, als hätte ich an jedes Kleidungsstück einebesondere Erinnerung. Er hat gelacht, als er diese Krawatte getragen hat. Er hat geweint in diesem Anzug, bei der Beerdigung seines Großvaters. Alexa hat einen Handabdruck aus Marmelade auf diesem Hemd hinterlassen.
Doch die Erinnerungen waren weniger schmerzhaft, als ich erwartet hätte. Sie waren eher bereichernd als bedrückend.
Du machst das gut, Schatz , hörte ich Matts Stimme.
Ich antwortete nicht, doch ich lächelte vor mich hin.
Ich dachte auch über Quantico und das Angebot des FBI nach.
Vielleicht wäre es gar nicht verkehrt, dieses Haus zu verlassen.
Wenn ich es tue, dann nur deshalb, weil ich es will und nicht, um zu flüchten. Ich muss meine Geister zur Ruhe betten, weil sie mir sonst überallhin folgen würden, wohin ich auch gehe. Das tun Geister nun mal.
Wir gingen den Kleiderschrank durch, das restliche Schlafzimmer, dann das Badezimmer, und die ganze Zeit war der Schmerz da, doch er war erträglich. Bittersüß, aber mehr süß als bitter.
Wir trugen die Kartons in den Dachboden über der Garage und schoben sie in Ecken, wo sie stehen bleiben und Staub ansetzen würden.
Tut mir leid, Matt , sagte ich stumm.
Es sind bloß Gegenstände, Schatz , antwortete er. Das Herz setzt keinen Staub an.
Da hast du recht.
Übrigens , sagt Matt aus dem Nichts heraus. Was ist mit 1forUtwo4me?
Ich antworte nicht. Ich stehe auf der Leiter, von der Hüfte aufwärts im Loch zum Dachboden.
»Smoky?«, ruft Callie von der Tür zur Garage aus.
»Ich komme gleich!«
Ja , geht es mir durch den Kopf. Was ist mit 1forUtwo4me? Was habe ich mir deswegen überlegt?
In meinem Beruf habe ich gelernt, dass auch gute Männer und Frauen ihre Geheimnisse haben können. Gute Ehemänner und Ehefrauen zum Beispiel, die einander betrügen oder heimlichen Lastern frönen oder sich als doch nicht so gut erweisen, wie von allen angenommen. Und ich habe gelernt, dass alles ans Tageslicht kommt, wenn man gestorben ist, weil andere nach Belieben in deinem Leben herumwühlen können, wenn du tot bist, und du kannst nichts, aber auch gar nichts dagegen tun.
Was mich zu 1forUtwo4me bringt. Es ist ein Passwort. Matt hatte mir erklärt, wie man ein sicheres Passwort findet, nachdem ein E-Mail-Konto der Familie kompromittiert worden war.
»Man benutzt eine Kombination von Buchstaben und Zahlen. Je länger, desto besser, aber zugleich sollte man es leicht behalten können, sodass man es nicht aufschreiben muss. Zum Beispiel …« Er hatte mit den Fingern geschnippt. »Eins für dich, zwei für mich. Das ist ein Satz, den ich mir gut merken kann. Also ändere ich ihn ein wenig, füge ein paar Ziffern hinzu, und schon habe ich 1forUtwo4me. Albern, zugegeben, aber ich vergesse es nicht, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand anders zufällig auf dieses Passwort kommt.«
Er hatte Recht behalten. Es klebte wie Kaugummi an der Schuhsohle. 1forUtwo4me. Ich habe es nie aufschreiben müssen. Ich werde es niemals vergessen.
Ein paar Monate nach Matts Tod hatte ich an seinem Computer gesessen. Wir hatten ein Heimbüro und jeder einen eigenen PC. Ich fühlte mich wie betäubt und suchte nach irgendetwas, das mich aus meiner Lethargie riss. Also ging ich Matts E-Mails durch und schaute mir seine Dateien an. Ich stieß auf ein Verzeichnis, das »Privat« benannt war. Als ich es öffnen wollte, stellte ich fest, dass es durch ein Passwort geschützt war.
1forUtwo4me. Ich hatte es im Kopf,
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