Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Es mangelt ihnen an Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Sie wählen ihre Tötungs- oder Foltermethode nicht danach aus, was ihre Opfer ihrer Meinung nach fürchten. Das würde Einfühlungsvermögen erfordern. Stattdessen wählen sie ihre Methoden und ihre Opfer basierend auf ihren eigenen Ängsten und Befürchtungen aus. Ein Mann, der Zurückweisung von schönen blonden Frauen fürchtet, entführt genau diese Art Frauen. Er foltert sie mit glimmenden Zigarettenspitzen, bis sie ihm sagen, dass sie ihn lieben, weil die schöne blonde Mami den Penis unseres Psychos mit ihren Mentholzigaretten verbrannt hat. Das ist zwar stark vereinfacht, aber es ist das zugrunde liegende Prinzip. Methode und Opfer sind alles. Die Frage, auf die ich eine Antwort suche, lautet: Wer war in diesem Haus das Opfer? Sarahoder die Kingsleys? Oder vielleicht beide? Die Antwort darauf führt uns zu allem anderen.«
Barry blickt mich an. »Sie haben eine Menge finsterer Gedanken im Kopf, Barrett.«
Ich setze zu einer Antwort an, als mein Handy summt.
»Spreche ich mit Agentin Barrett?« Eine Männerstimme, irgendwie vertraut.
»Wer spricht da?«
»Al Hoffman, Ma’am. Ich bediene die Hotline.«
Die Hotline ist die FBI-Version eines lebenden 24 /7-Anrufbeantworters. Wer an der Hotline sitzt, kennt die Kontaktnummer von jedem Mitarbeiter, angefangen beim Assistant Director bis zur Putzfrau. Wenn beispielsweise jemand aus Quantico jemanden aus L.A. sprechen möchte und es ist nach Dienstschluss, ruft er die Hotline an.
»Was gibt’s, Al?«, frage ich.
»Ich habe einen eigenartigen anonymen Anruf für Sie, Agentin Barrett.«
Meine Nackenhaare richten sich auf.
»Männlich oder weiblich?«
»Männlich. Die Stimme war gedämpft, als hätte er etwas über die Sprechmuschel gehalten.«
»Was hat der Anrufer gesagt?«
»Er hat gesagt … ich zitiere: ›Sag dem Miststück mit dem Narbengesicht, dass es noch mehr Tote gegeben hat und dass Gerechtigkeit getan wurde.‹ Dann nannte er mir eine Adresse in Granada Hills.«
Ich bin stumm.
»Agentin Barrett?«
»Konnten Sie die Nummer zurückverfolgen, Al?«
Die Frage ist eine Formalität. Die Hotline verfügt seit dem 11. September über eine automatische Zurückverfolgung, doch das ist eine vertrauliche Information.
»Es war ein Mobiltelefon. Wahrscheinlich eine geklonteNummer, oder gestohlen oder über einen Dienst, der das Zurückverfolgen unmöglich macht.«
»Geben Sie mir trotzdem die Nummer, Al. Und die Adresse bitte.«
Er liest von einem Blatt ab. Ich bedanke mich und beende das Gespräch.
»Was ist passiert?«
Ich berichte Barry vom Inhalt des Anrufs.
Er starrt mich einen Moment lang ungläubig an. »Verdammte Scheiße. So eine elende Scheiße!«, tobt er los. »Sie nehmen mich auf den Arm, Smoky! Verdammt, glauben Sie, dass es real ist?«
»›Dieser Ort ist Gerechtigkeit‹? Die Ähnlichkeit ist viel zu groß, als dass es Zufall sein könnte.«
»Der Dreckskerl weiß, wie man anderen Leuten den Samstagabend versaut, so viel steht fest«, murmelt Barry. Er schnippt seine Zigarette auf die Straße. »Warten Sie einen Moment, ich sag Simmons Bescheid, dass wir von hier verschwinden. Sie schnappen sich Callie, und dann werden wir losfahren und herausfinden, worin für diesen Hurensohn der Unterschied zwischen Schmerz und Gerechtigkeit besteht.«
Alan ist immer noch nirgends zu sehen. Ich rufe ihn auf seinem Handy an. »Ich bin drei Häuser weiter unten und esse bei Mrs. Monaghan Plätzchen«, berichtet er. »Sie ist eine sehr nette Lady, die freiwillig bei der Nachbarschaftswache mitmacht.«
Alan legt eine übermenschliche Geduld an den Tag, wenn es darum geht, Zeugen zu befragen. Unerschütterlich. Seine »nette Lady, die freiwillig bei der Nachbarschaftswache mitmacht« ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine verschrobene, neugierige Person, die jeden mit scharfem Auge beobachtet und mit noch schärferer Zunge über die Leute herzieht.
Ich berichte Alan über den Anruf von der Hotline.
»Möchtest du, dass ich mitkomme?«, fragt er.
»Nein, esst ihr mal eure Plätzchen und bringt die Befragungen zu Ende.«
»Machen wir. Aber ruf mich an und lass mich wissen, was ihr vorgefunden habt. Und Smoky … sei bitte vorsichtig.«
Ich überlege, ob ich mit dem gleichen Spruch antworten soll, den ich Dawes an den Kopf geknallt habe, doch ich entscheide mich dagegen. Alans Stimme klingt zu aufrichtig besorgt.
»Bin ich«, verspreche ich ihm.
KAPITEL 12
Wir fahren auf dem
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