Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
mit dem Bild eines desorganisierten Täters überein«, bemerke ich.
Selbst wenn andere Dinge nicht dazu passen.
»Die Bastonade wird hauptsächlich in Südamerika und Teilen des Mittleren Ostens angewendet«, sagt Simmons. »Außerdem in Singapur, Malaysia und auf den Philippinen.«
»Sonst noch etwas, das wir wissen sollten?«, fragt Barry.
»Bis jetzt nicht. Wir sind dabei, den Inhalt des Filtersystems zu isolieren, aber das dauert eine Weile. Wir müssen abwarten.«
Das forensische Bearbeiten eines Tatorts ist ein Prozess aus Identif ikation und Individualisierung . Von Individualisierung sprechen wir, wenn ein Beweisstück von einer spezifischen Quelle herrührt. Fingerabdrücke können einer einzigen Person zugeordnet werden, so wie Geschosse in den meisten Fällen einer bestimmten Waffe zugeordnet werden können. Die ultimative Individualisierung ist die DNA-Analyse.
Die große Mehrzahl an Beweisen jedoch lässt sich nicht individualisieren, lediglich identifizieren. Die Identifikation ist der Prozess des klassifizierens von Beweisen aus einer gemeinsamen, jedoch nicht spezifischen Quelle. Ein Beispiel: feinste Metall- oder Rostpartikel, die man im eingeschlagenen Schädel eines Opfers findet und die sich als Material identifizieren lassen, das üblicherweise zur Herstellung von Hämmern benutzt wird.
Die beiden Bereiche können sich selbstverständlich überschneiden. Wir haben einen Verdächtigen und überprüfen, ob er einen Hammer besitzt. Das Opfer hat Verletzungen am Kopf, die mit dem Abdruck des verdächtigen Hammers übereinstimmen. Weitere Untersuchungen ergeben DNA-Spurendes Opfers an den Kanten des Hammerkopfes. Wir nehmen Fingerabdrücke vom Griff und finden lediglich die des Verdächtigen. Identifikation und Individualisierung, beides im Zusammenspiel, besiegeln das Schicksal des Täters. Es ist ein mühsamer Prozess, der nicht nur technisches Fachwissen erfordert, sondern auch die Fähigkeit zu logischer Deduktion und zum Verknüpfen von Fakten.
Ich hatte vorhin das Sichtbare bemerkt, das Blut im blauen Wasser des Pools, und hatte vermutet, dass unser Täter im Pool gebadet hat. Callie nahm meine Beobachtung auf, stellte ihre eigenen Analysen an und führte uns zu dem unsichtbaren Fußabdruck.
Die Präzision eines Sherlock Holmes ist eine nette Phantasie, mehr nicht. Die Wahrheit ist, dass wir wie denkende Staubsauger sind. Wir saugen alles in uns auf, verarbeiten es und hoffen, dass wir das Ergebnis begreifen.
Ich stehe mit Barry auf dem Rasen und warte darauf, dass Callie und Dan, der schüchterne Fotograf, fertig werden. Es war ein langer Tag. Alan packt bestimmt bald zusammen. Ich möchte weg von hier.
Barry zieht ein Päckchen Marlboros aus der Brusttasche seines Hemds. Meine alte Marke , denke ich sehnsüchtig.
»Möchten Sie auch eine?«, fragt er und bietet mir die Packung an.
Ich kämpfe gegen das allgegenwärtige Verlangen. »Nein, danke.«
»Aufgehört?«
»Ich rauche in Gedanken bei Ihnen mit.«
»Und ich puste gern ein wenig Rauch in Ihre Richtung, wenn Sie mich nett darum bitten«, sagt er, während er ein Streichholz entzündet. Er bringt die Flamme an die Spitze, bis sie rot glüht, und nimmt einen tiefen, genussvollen Zug.
Ich schaue zu, wie er den Rauch ausstößt. Er bildet eineWolke, die beinahe unbewegt in der Luft schwebt. Nicht die kleinste Brise ist da, um ihn zu vertreiben. Meine Nüstern blähen sich. Der süße Duft der Sucht … mjam, mjam, mjam.
»Ich werde morgen früh mit dem Mädchen reden«, sagt Barry. »Wäre hilfreich, wenn Sie dabei sein könnten.«
»Rufen Sie mich rechtzeitig auf dem Handy an.«
»Mach ich.« Er deutet mit einer Handbewegung zum Haus. »Wie sehen Sie das alles bis jetzt?«
»Vieles ist verwirrend. Was klar zu sein scheint – es steckt eine Botschaft hinter den Taten des Killers. Die Frage lautet, ist sie an uns gerichtet oder an ihn selbst? Will er, dass wir verstehen, was das viele Blut bedeutet? Hat er deswegen die Nachricht an der Wand hinterlassen? Geschah es aus Absicht? Oder hat er es getan, weil Stimmen in seinem Kopf ihn dazu aufgefordert haben?« Ich drehe mich zum Haus um. »Wir wissen, dass dieser Künstler sehr viel Selbstbewusstsein besitzt, und er ist mutig und kompetent. Wir wissen jedoch nicht, ob er ein organisierter oder ein desorganisierter Täter ist. Wir wissen noch nicht, was er fürchtet .«
Barry runzelte die Stirn. »Fürchtet? Wie meinen Sie das?«
»Serienkiller sind narzisstisch veranlagt.
Weitere Kostenlose Bücher