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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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schon wieder aufgeben will. »Allerdings habe ich jede Seite deines Tagebuchs fotografieren lassen. Die Dateien werden noch heute Morgen ausgedruckt und zu mir gebracht. Dann kann ich alles lesen, als wären es die Seiten aus deinem richtigen Tagebuch.«
    »Heute?«
    »Ich verspreche es.«
    Sarah betrachtet mich mit einem weiteren langen, misstrauischen Blick.
    Dieses Mädchen vertraut keinem , denke ich. Keinem Menschen auf der Welt. Warum ist sie so geworden?
    Ich bin nicht sicher, ob ich es wissen will.
    »Sarah«, sage ich mit freundlicher Stimme. »Wir müssen dir ein paar Fragen stellen. Über das, was gestern in dem Haus passiert ist. Würdest mit uns darüber reden?«
    Sie mustert mich mit einem Blick, in dem viel zu viel Erfahrung und eine Gleichgültigkeit liegt, die ich schon früher bei Opfern beobachtet habe. Es fällt ihnen leichter, auf diese Weise mit ihren Erlebnissen umzugehen.
    »Ich glaub schon«, sagt sie ausdruckslos.
    »Stört es dich, wenn Barry dabei ist? Nur ich stelle die Fragen. Barry sitzt bloß da und hört zu.«
    Sie zuckte die Schultern. »Mir egal.«
    Ich ziehe einen Stuhl an ihr Bett. Barry setzt sich auf einen Stuhl bei der Tür. Das gehört zu unserer Taktik. Er kann alles hören, was Sarah sagt, doch er bleibt unauffällig im Hintergrund. Er macht es Sarah leicht zu vergessen, dass er da ist.
    Erinnerungen von Opfern sind etwas sehr Intimes, Persönliches. Es ist, als würden sie ein Geheimnis preisgeben. Barry weiß das, und er weiß auch, dass Sarah sich wohler in ihrer Haut fühlt, wenn sie diese Geheimnisse nur mit mir teilen muss.
    Sarah hat den Kopf abgewandt und starrt zum Fenster hinaus. In die Sonne, weg von mir. Ihre Hände sind verschränkt. Ich sehe, dass ihre Fingernägel schwarz lackiert sind.
    Bringen wir es hinter uns , sagt meine innere Stimme.
    »Weißt du, wer es getan hat, Sarah?« Die Schlüsselfrage. »Weißt du, wer die Kingsleys ermordet hat?«
    Sie starrt weiter aus dem Fenster. »Nicht so, wie Sie meinen, nein. Ich kenne seinen Namen nicht, und ich weiß nicht, wie er aussieht. Aber er war schon früher in meinem Leben.«
    »Als er deine Eltern umgebracht hat.«
    Sie nickt.
    »Du warst sechs, als es passiert ist?«
    »Sechster Juni«, sagt sie. »An meinem Geburtstag. Alles Liebe zum Geburtstag und so weiter.«
    Ich schlucke, verliere für einen Moment innerlich die Fassung.
    »Wo ist es passiert?«
    »Malibu.«
    Ich werfe einen Seitenblick zu Barry. Er nickt, kritzelt einen Vermerk in sein Notizbuch. Wenn tatsächlich etwas Derartiges in Malibu passiert ist, können wir die Details später anfordern.
    »Erinnerst du dich, was damals passiert ist? Als du sechs geworden bist?«
    »Ich erinnere mich an alles.«
    Ich warte, hoffe, dass sie von sich aus erzählt. Sie tut es nicht.
    »Woher weißt du, dass der Mann, der gestern die Kingsleys umgebracht hat, derselbe ist, der vor zehn Jahren deine Eltern ermordet hat?«
    Sie dreht sich zu mir um und schaut mich an, und ich sehe Resignation und unterdrückte Wut auf ihrem Gesicht. »Das ist eine dämliche Frage.«
    »Und was wäre keine dämliche Frage?«
    » Warum ist es der gleiche Mann?«
    Verdammt. Sie hat recht. Das ist die treffendste Frage von allen.
    »Weißt du warum?«
    Sie nickt.
    »Möchtest du es mir erzählen?«
    »Ich erzähle Ihnen ein bisschen. Den Rest müssen Sie nachlesen.«
    »Okay.«
    »Er …« Sie kämpft mit sich. Vielleicht sucht sie nach den richtigen Worten. »Er hat einmal zu mir gesagt, ›Ich erschaffedich neu, nach meinem Bild.‹ Er hat nicht erklärt, was er damit meint, aber genau das hat er gesagt. Er sagte, er würde mich und mein Leben auf die gleiche Weise betrachten wie ein Künstler einen klumpen Ton, und dass ich seine Skulptur bin. Er hatte sogar einen Namen für diese Skulptur. Einen Titel.«
    »Wie lautet er?«
    Sie schließt die Augen. »Ein zerstörtes Leben.«
    Das Geräusch von Barrys kritzeln verstummt. Ich starre Sarah an, während ich zu verdauen versuche, was sie mir soeben gesagt hat.
    Organisiert , denke ich. Organisiert und getrieben von einem obsessiven Zwang. Rache ist das Motiv, und sie zu zerstören ist ein Teil davon. Ein großer Teil.
    Sarah spricht weiter. Ihre Stimme ist leise, abwesend. »Er tut Dinge, um mein Leben zu verändern. Um mich traurig zu machen, Hass in mir zu wecken. Um mich einsam zu machen. Um mich zu verändern .«
    »Hat er dir je erzählt, warum er das tut?«
    »Als alles anfing, hat er gesagt: ›Auch wenn es nicht deine Schuld

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