Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
ist fest und doch gehetzt. Verloren. »Mich. Er will mich, mehr als alles andere. Wenn Sie ihn nicht fangen können, bringe ich mich um. Verstehen Sie?«
Sie wendet sich wieder zum Fenster, zur Sonne. Ich könnte mit ihr diskutieren, ich könnte protestieren, doch mir wird klar, dass sie für den Moment nicht mehr bei uns ist.
»Ja«, antworte ich leise und freundlich. »Ich verstehe dich, Sarah.«
»Und?«, fragt Barry, als wir draußen auf dem Parkplatz stehen. »Was halten Sie von dieser Geschichte?« Er raucht schon wieder. Ich würde auch gern eine rauchen.
»Es ist eine scheußliche, eine absolut grauenhafte Geschichte.«
»Kann man wohl sagen.« Barry nickt. »Wenn sie die Wahrheit erzählt, heißt das.«
»Glauben Sie ihr nicht?«
»Ich habe schon einige verrückte Geschichten gehört. Eine Menge Lügen. Diese Geschichte klang nicht danach.«
»Stimmt.«
»Was halten Sie von der Selbstmorddrohung?«
»Sie ist ernst gemeint.«
Das ist alles, was ich sage. Alles, was ich sagen muss. Ich kann sehen, dass Barry genauso darüber denkt.
»Was ist mit unserem Freund, dem Psycho?«
»Da bin ich mir immer noch nicht im klaren. Sein Motiv ist mit beinahe hundertprozentiger Sicherheit Rache. Rache bedeutet ihm alles. Er war bereit, auf die eigenhändige Verstümmelung der Leichen zu verzichten, damit er Sarah dazu zwingen konnte. Sie zu quälen, sie zu verletzen war ihm wichtiger, war für ihn erfüllender, als sie selbst aufzuschlitzen und auszuweiden.«
»Aber nicht sie zu töten«, meint Barry.
»Mit Ausnahme des Jungen, ja. Sarah zu zwingen, den Jungen zu verstümmeln, ihren Schmerz zu beobachten, das reichteihm. Obwohl Mord nach Sarahs Worten erregend für ihn ist. Das Spielen mit Blut ist das rituelle, das sexuelle Element.«
Ich reibe mir mit den Händen durchs Gesicht, versuche mich zusammenzureißen und halbwegs in die Normalität zurückzukehren. »Sorry, ich bin wohl keine große Hilfe.«
»Hey, wir haben schon mehr als einmal zusammen an einem Fall gearbeitet. So läuft’s nun mal bei Ihnen.«
Er hat recht. So läuft es bei mir. Beobachten, nachempfinden, nachdenken, analysieren – und dann alles noch einmal von vorn, bis die Silhouette des Killers sich langsam abzeichnet, bis sie nicht mehr unscharf ist, sondern deutlich umrissen. Es ist chaotisch und widersprüchlich, doch so läuft es bei mir.
»Können Sie einen Zeichner zu Sarah schicken?«, frage ich. »Das Tattoo ist ohne Zweifel ein eindeutiges Erkennungsmerkmal.«
»Ja. Mache ich.«
»Ich setze mich mit Callie in Verbindung. Mal sehen, was sie bis jetzt bei Vargas entdeckt hat. Ich sage ihr, dass sie sich auch bei Ihnen melden und Bericht erstatten soll. Wenn die Spurensicherung nichts erbringt, sollten wir erst einmal die Vergangenheit der Opfer durchleuchten, insbesondere die von Vargas. Ich glaube, dort liegt die Antwort verborgen. Basierend auf dem Rachemotiv und darauf, wie er mit den Körpern von Kindern umgeht, interessiert mich auch der Aspekt des Menschenschmuggels. Ich will wissen, mit wem die Opfer Kontakt hatten, und wann.«
»Das ist dann Ihr Job.«
»Wieso?«
»Menschenschmuggel fällt unter die Zuständigkeit der Bundesbehörden. Des FBI, genaugenommen. Und das FBI war an Vargas dran.«
»Was denn – hier?«
»In Kalifornien. Ich befasse mich mit der Vergangenheit der Kingsleys. Und der von Sarah. Ich überprüfe, ob ihre Elterntatsächlich ermordet wurden. Sobald ich etwas vom Gerichtsmediziner höre, melde ich mich. Verdammt, ich hab ’ne Menge Arbeit.«
»Ich sorge dafür, dass Callie Ihnen eine Kopie des Tagebuchs zukommen lässt.«
Wir stehen beide da und denken nach, überlegen, ob wir nichts außer Acht gelassen haben.
»Ich glaube, das wär’s für den Augenblick«, sagt Barry schließlich. »Ich melde mich bald wieder bei Ihnen.«
»Diese Wohnung war ein widerliches Schweineloch, Zuckerschnäuzchen.«
»Ich weiß. Was habt ihr gefunden?«
»Wo soll ich anfangen? Die Tötungsmethode war die gleiche wie bei den Kingsleys. Der Täter hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten und sie in der Badewanne ausbluten lassen. Vargas wurde ausgeweidet. Keine zögernden Schnitte an ihm.«
Ich erzähle ihr von meinem Gespräch mit Sarah.
»Dieser Irre hat sie die Leichen aufschneiden lassen?«
»Ja.«
Stille. »Nun, das würde die Schnitte erklären. Weiter. Das Mädchen in Vargas’ Wohnung wurde nicht aufgeschnitten, wie du gesehen hast. Wir haben ihre Identität noch nicht feststellen können. Fest
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