Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
steht, dass sie noch jung war, zwischen dreizehn und fünfzehn. Sie hat ein Tattoo, ein Kreuz mit kyrillischer Schrift darunter, übersetzt ungefähr: ›Danke Gott, denn Gott ist Liebe.‹«
»Eigenartig, dass eine junge Amerikanerin eine kyrillische Tätowierung trägt. Vielleicht ist sie Russin oder hat russische Eltern. Das ergäbe Sinn.«
Russische Banden sind zu einem bedeutenden Faktor im Menschenschmuggel geworden, einschließlich minderjähriger Prostituierter.
»Die Narben an ihren Füßen ähneln denen, die wir bei denFußabdrücken am Pool der Kingsleys gefunden haben, sieht man davon ab, dass es viel weniger sind. Und sie sind relativ frisch. Der Gerichtsmediziner schätzt, dass die Narben nicht älter als sechs Monate sind.«
»Eigenartiger Zufall, meinst du nicht? Das Mädchen und der Killer haben die gleichen Narben.«
»Ich glaube nicht, dass es Zufall ist. Alle anderen Abdrücke, die wir gefunden haben, gehören zu den beiden Opfern. Wir haben eine Tonne Haare und Fasern. Jede Menge Spermaflecken, allerdings alt und ausgetrocknet. Du weißt schon – blättrig.«
»Danke für diese bildhafte Beschreibung.«
»Ich habe den Computer nur flüchtig in Augenschein genommen, habe aber E-Mails und verschiedene Dokumente gefunden. Außerdem massenhaft Pornographie. Irrsinnig viel Pornographie. Ich habe den Computer ins Büro bringen lassen, wo ich mich eingehend damit befassen werde. Mr. Vargas war wirklich kein netter Mann.«
»Hat der Killer mit seinem Blut gespielt? Und dem des Mädchens?«
»Du meinst, ob er wieder Klassiker der Fingermalerei an den Wänden hinterlassen hat? Nein.«
Er überließ das Ausweiden der Kingsleys Sarah. Vielleicht war die Blutmalerei eine Ersatzhandlung. Eine Art Trostpreis.
»Was ist mit dem Tagebuch?«
»Ich bin unterwegs zum Büro. Ich drucke es aus, sobald ich dort bin.«
»Gib mir Bescheid, wenn du fertig bist.«
Ich erreiche James auf seinem Handy.
»Was willst du?«, fragt er mürrisch.
Eine solche Begrüßung ist längst keine Überraschung mehr. So ist James nun mal, das vierte und letzte Mitglied meines Teams. Er ist Öl in jedermanns Feuer, eine Sense imGetreidefeld. Er ist irritierend, unsympathisch und macht einen rasend. Wir nennen ihn »Damien«, wenn er nicht dabei ist, nach der Figur aus Das Omen . Damien, des Satans Sohn.
James ist nur aus einem Grund in meinem Team: Seine Intelligenz ist überragend. Er hat mit fünfzehn die Highschool abgeschlossen, hatte erstklassige Ergebnisse in den Hochschuleignungsprüfungen, hatte mit zwanzig seinen Doktor in Kriminologie und kam mit einundzwanzig zum FBI – das Berufsziel, das er angestrebt hatte, seit er zwölf war.
James hatte eine ältere Schwester, Rosa. Sie starb, als James zwölf war, von der Hand eines Serienkillers, der seine Opfer grinsend mit einem Schweißbrenner bearbeitete. James begrub Rosa zusammen mit seiner Mutter und beschloss am Grab der Schwester, den Rest seines Lebens Jagd auf solche Psychos zu machen.
Ich weiß nicht, was James außerhalb des Jobs treibt. Ich weiß nichts über sein Privatleben; ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt eins hat. Ich bin seiner Mutter nie begegnet. Ich weiß nicht, ob er jemals im Kino war. Er hat das Radio immer ausgeschaltet, wenn ich bei ihm im Wagen mitfahre. Er zieht Stille seichter Unterhaltung vor.
Er ist absolut rücksichtslos, wenn es um die Gefühle anderer geht. Er schwankt zwischen brennender Feindseligkeit und völliger Gleichgültigkeit, das ultimative: »Es ist mir egal, wie du dich fühlst, es interessiert mich nicht, und ich muss es auch nicht wissen.«
Doch James hat einen messerscharfen Verstand. Eine kompromisslose, strahlende Brillanz, so hell wie die Flamme eines Bogenlichts. Er besitzt eine weitere Fähigkeit – eine, die er mit mir teilt und die uns miteinander verbindet, ob wir wollen oder nicht: Er kann in den Verstand eines Killers blicken, ohne davor zurückzuscheuen. Er kann dem Bösen mitten ins Gesicht starren und dann eine Lupe nehmen, um noch genauer hinzusehen.
In Zeiten wie diesen ist er unschätzbar wertvoll, ein Kamerad, und wir fließen zusammen wie Boote auf einem Strom, wie Regen in einen Fluss.
»Wir haben einen neuen Fall«, sage ich.
In knappen Worten schildere ich ihm, was bisher passiert ist.
»Was hat das mit meinem freien Sonntag zu tun?«, will er wissen.
»Callie schickt dir noch heute einen Kurier mit dem Tagebuch vorbei.«
»Und?«
»Und ich möchte, dass du es liest.« Zorn wallt
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