Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
geöffnet?
Der Fremde beugte sich vor. Er betrachtete sie einen langen Moment, starrte ihr in die Augen, und sie fühlte sich an eine Statue erinnert. An kalten, gefühllosen, harten Stein.
»Sie machen einen Fehler«, sagte er schließlich.
Er knebelte sie wieder, dann knebelte er Sam. Er schien nicht wütend oder aufgebracht bei seiner Arbeit. Ohne ein weiteresWort ging er zu Sarah, knebelte sie ebenfalls, packte ihre gefesselten Hände und riss sie vor. Er steckte seine Pistole in die Hose und griff in die Gesäßtasche, um das glänzende, goldene Feuerzeug hervorzunehmen. Linda erstarrte vor Entsetzen, als sie das Klicken des aufklappenden Deckels hörte. Der Fremde schlug das Feuerzeug an, und es brannte.
Er achtete darauf, dass Linda genau sehen konnte, wie er Sarahs Handfläche über die Flamme hielt. Drei volle Sekunden lang.
Sarah schrie die ganze Zeit. Der Fremde tat, was seinen Worten zufolge die einzige Pflicht der Starken war: Er atmete weiter, fest, ruhig und gelassen.
KAPITEL 21
Sarah konnte nicht glauben, wie sehr es schmerzte. Sie musste aufhören zu schreien, damit sie durch die Nase atmen konnte.
All die Dinge, die in der Ferne auf der Lauer gelegen hatten, waren plötzlich ganz nah. Ihre Emotionen waren eine unablässige Serie aus blendend grellen Blitzen in ihr, Entsetzen, Angst, Schmerz, Trauer. Dieses Monster war unüberwindlich. Niemand konnte ihm entkommen, so viel wusste Sarah nun. Das Wissen war niederschmetternd. Vernichtend.
Ihre Mutter hatte getobt, als der Fremde Sarah verbrannt hatte. Linda hatte sich so heftig gegen ihre Fesseln gestemmt, dass sie sich das Fleisch von den Knochen gerissen hätte, wären die Innenseiten der Handschellen nicht gepolstert gewesen. Mommy war immer noch Mommy, doch in Mommy brannte eine alles verzehrende, bedrohliche Energie, wie Sarah es noch niemals gesehen hatte.
Selbst der Fremde war beeindruckt.
»Wunderbar!«, sagte er anerkennend zu Linda. »Sie sind sicherlich die furchteinflößendste Frau, die ich je gesehen habe.«
Sarah musste ihm zustimmen.
»Das Problem ist, Linda, dass Sie trotzdem keine Chance gegen mich haben.« Er schüttelte den Kopf. »Begreifen Sie das denn nicht? Sie können nicht gewinnen. Sie können mich nicht schlagen. Ich bin die Macht. Ich bin die Gewissheit. Ihre Optionen haben sich nicht verändert. Tun Sie, was ich Ihnen sage, oder Sie werden mit ansehen, wie ich Sarah so lange mit dem Feuerzeug bearbeite, bis sie in einer kuriositätenschau im Zirkus auftreten kann.«
Sarahs Mutter hatte sich nach diesen Worten äußerlich beruhigt. Sarah hatte einen Blick zu ihrem Daddy geworfen, doch Sams Augen waren immer noch geschlossen.
»Ich gebe Ihnen ein paar Augenblicke Zeit, damit Sie sich sammeln können. Eine ganze Minute. Danach werden Sie mir entweder sagen, dass Sie bereit sind, und wir machen weiter, oder ich werde Sarah ernsthaft mit dem Feuer bearbeiten.«
Sarah erbebte bei dem Gedanken an noch mehr Feuer, noch mehr Schmerz. Und was hatte er gemeint mit »und wir machen weiter«? Sie war an einem weit entfernten Ort gewesen, wo sie darauf gewartet hatte, dass das Monster weggehen würde. Es hatte während der ganzen Zeit geredet, irgendetwas Wichtiges. Sie strengte sich an, versuchte sich zu erinnern.
Irgendetwas über Mommy und Daddy …
Mommy sollte Daddy umbringen …
Dann fiel es ihr wieder ein, und sie riss die Augen weit auf. Der ferne Ort winkte einmal mehr.
Linda war voll mit weißem Rauschen und Statik, ein einziger großer Kurzschluss der Seele. Wut hatte die Kontrolle übernommen, und sie hatte sich nicht bezähmen können. Sie hatte Rot gesehen, ihr Hass und ihre Frustration waren über sie gekommen und hatten das Wenige an Gleichgewicht zerquetscht, das sie noch besessen hatte. Ihre Handgelenke schmerzten; sie fühlte sich schwindlig von zu viel Sauerstoff,und ihr war speiübel von dem Adrenalinschwall, der in ihren Kreislauf geschossen war.
Sam, der verdammte Sam, hatte immer noch die Augen geschlossen. Linda wusste warum, und sie hasste ihn dafür. Sie hasste ihn dafür, dass er recht haben musste. Dafür, dass er wusste, dass es keine andere Wahl gab. Dass es vorbei war. Und dafür, dass er es akzeptierte.
Nein, nein, sie liebte Sam, sie hasste ihn nicht. Das war Sam, so war er; das machte seine Persönlichkeit aus. Seinen Verstand, den sie so sehr an ihm liebte. Seine Klarheit, seine Brillanz. Er war so mutig, so unendlich mutig. Er hatte ihr Lebwohl gesagt, die Augen geschlossen und
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