Der Todesstern
ab und stieß dabei zu, wie sie es früher wohl nie getan hätte. Ihr helles Haar hatte sich gelöst und umspielte ihr verhärtetes Antlitz, in dem tief empfundene Furcht, Entsetzen und der Drang, kämpfen zu müssen, sich die Waage hielten. Mit einem Aufschrei warf sie sich Mythor an den Hals und klammerte sich an ihn wie ein Ertrinkender an den rettenden Anker.
Als Gerrek einen einzigen Schritt nach vorne machte, stellte sich Boozam zwischen ihn und Sadagar und die beiden.
»Jetzt reicht es.« Der Beuteldrache griff den Aborgino an, der seine Hiebe jedoch mühelos parierte. Auch Sadagar ließ sich nicht länger hinhalten. Gemeinsam attackierten sie den Schleusenwärter, der nicht nur über unwahrscheinliche Kräfte verfügte, sondern auch über ein flinkes Auge und einen nicht minder schnellen Schwertarm. Wie der Schnitter die Sense, so führte Boozam seinen Zweizack dicht über dem Boden. Gerrek mußte springen, wollte er nicht mit der blitzenden Klinge Bekanntschaft schließen. Im nächsten Moment zuckte der Aborgino zurück; das Schaftende ließ Steinmann Sadagar nach Luft ringend in die Knie sinken.
»Und nun zu dir«, lachte er und wandte sich erneut dem Beuteldrachen zu. Mit beiden Händen seine Waffe hochreißend, wehrte er einen übereilt geführten Schwerthieb ab. Gerrek geriet ins Schwitzen, drosch blindlings drauflos, fand aber keine Schwäche in Boozams Verteidigung. Wenn wenigstens Mythor eingegriffen hätte. Aber der schien mit seinen Gedanken weit entfernt zu sein.
Das Aufblitzen in Boozams Augen, die offensichtliche Verlagerung seines Gewichts auf den linken Fuß, verrieten Gerrek, daß der Aborgino seinerseits zum Angriff übergehen wollte. Blitzschnell warf er sich herum; sein Schwert zuckte schräg von der Seite heran, als ihn unvermittelt der schwungvoll geführte Schaft traf.
Gerrek ächzte. Er, der sich einbildete, ein halbwegs geschickter Kämpfer zu sein, war auf eine einfache Finte hereingefallen. Das Schwert entglitt seiner gefühllos werdenden Hand, dann brach er langsam vornüber zusammen. Vor seinen Augen wogten düstere Schleier. Dennoch konnte er erkennen, daß der Aborgino Mythor und Fronja in den Todesstern entführte. Es war, als gehorche der Schleusenwärter einem fremden Zwang.
6.
Das Innere des Todessterns erwies sich als wahres Labyrinth von Gängen, Höhlen und Kammern, deren Anordnung magisch Geübten verständlich sein mochte, keinesfalls aber heißblütigen Kriegern, deren Schwerter nach dem Blut von Dämonen lechzten. Boozam beging jedoch nicht denselben Fehler wie die meisten Helden, blindlings vorwärts zu stürmen, um irgendwann feststellen zu müssen, daß er sich hoffnungslos verirrt hatte. Das Klirren von Waffen, Schreie, Stampfen und Stöhnen verfolgten ihn auch hier, nur verloren sie sich bald in der Weite des Labyrinths.
Der Aborgino verhielt seine Schritte, als der Eingang hinter einer Biegung des Ganges, dem er folgte, verschwunden war. Sanft, aber mit Nachdruck, schob er Fronja und Mythor vor sich her. Er vermochte nicht zu sagen, weshalb er die beiden mit sich nahm. Schon jetzt bedeuteten sie eine Last für ihn, weil sie kaum in der Lage schienen, sich gegen mögliche Angreifer zu verteidigen, aber es war wie eine leise innere Stimme, die ihm sagte, daß der Sohn und die Töchter des Kometen ins Zentrum des Todessterns vordringen mußten. Vielleicht waren nur sie in der Lage, den Herren dieser Festung zu besiegen.
Der Gang aus rauhem, schwarzem Gestein wurde zunehmend niedriger. Boozam war gezwungen, in gebückter Haltung zu gehen. Eine flackernde Helligkeit umspielte ihn. Das war kein Licht, eher wogende Düsternis, die von den Wänden ausging. Sobald er die Felsen berührte, sprang ein Gefühl der Taubheit auf ihn über.
»Paßt auf«, warnte er seine Schützlinge. »Bleibt dicht hinter mir.«
Der Gang gabelte sich. Nachdem er sich zuletzt linkerhand gehalten hatte, wählte Boozam nun die rechte Abzweigung, überzeugt davon, auf diese Weise den Mittelpunkt des Todessterns rasch zu erreichen. Außerdem versetzte er sich so in die Lage, den Weg zurück jederzeit wiederzufinden. Zweihundertundfünfzig Schritte waren es vom Rand der Festung bis in ihr Zentrum. Bisher hatte er siebzig zurückgelegt, allerdings vorwiegend entlang der äußeren Wandung.
Manchmal glaubte er, allein zu sein. Dann herrschte die Stille einer Grabkammer. Aber immer wieder drang aus der Tiefe des Todessterns Kampflärm herauf. Boozam rechnete kaum damit, daß die Helden es
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