Der Todesstoss
Augenblick um ihn geschehen
gewesen.
Der Nubier stürmte heran wie der Leibhaftige, ein schwarzer
Riese, der wie ein Wirbelwind zwischen die Männer fuhr. Den
Soldaten, den Andrej entwaffnet hatte, rannte er kurzerhand
über den Haufen, gerade als sich dieser nach seinem Schwert
bücken wollte, einen zweiten fegte er mit einem fürchterlichen
Fußtritt von den Beinen. Der dritte zögerte einen winzigen
Moment, welchem der beiden Gegner er sich zuwenden sollte,
und seine Unentschlossenheit kostete ihn das Leben. Andrej
rammte ihm das Schwert in den Leib und stolperte weiter und
auf den Priester zu, noch während der Soldat sterbend
zusammenbrach.
Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke,
und trotz seiner Schwäche und des Fiebers, das immer heißer
und qualvoller in ihm brannte, registrierte er, wie erstaunlich
jung der Priester noch war, und wie vollkommen anders, als er
ihn sich vorgestellt hatte. Nicht der grausame Folterknecht, den
er erwartet hatte, sondern ein offenes Gesicht mit klaren blauen
Augen, in denen maßlose Verwirrung und allmählich
aufkeimender Schrecken zu lesen waren, blickte ihn an.
Andrej verscheuchte den Gedanken und stach mit dem
Schwert nach ihm.
Der Geistliche machte einen hastigen Schritt zur Seite, und
die Klinge verfehlte ihn und scharrte Funken sprühend über die
Wand.
Bevor Andrej zu einem weiteren Hieb ausholen konnte,
versetzte Abu Dun ihm an seiner statt einen Stoß, der seinen
Gegner haltlos in das Torgewölbe und auf der anderen Seite
wieder herausstolpern ließ. Er fiel auf die Knie, rappelte sich
mühsam wieder hoch und wollte sich herumdrehen.
Hinter ihnen polterten die Schritte der Verfolger über den
gepflasterten Innenhof der Klosterfestung. Schreie gellten, und
flackerndes rotes Licht fiel durch das offen stehende Tor.
»Nimm sie!« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte ihm
Abu Dun das bewusstlose Mädchen in die Arme und wirbelte
herum. »Ich halte sie auf!
Renn!«
Andrej taumelte blind los. Er wusste nicht mehr, was er tat
oder warum er es tat. Er führte einfach Abu Duns Befehl aus.
Aber er war nicht einmal sicher, ob seine Kraft dafür reichen
würden. Das reglose Mädchen wog Tonnen. Sein Gewicht
drohte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu
ziehen. Er brauchte all seine Kraft, um auch nur einen Fuß vor
den anderen zu setzen und in die Richtung zu taumeln, in der er
Birger vermutete.
Hinter sich hörte er Schreie und das vertraute Klirren von
Metall. Als er den Kopf drehte, bot sich ihm ein fast
unheimlicher Anblick: Abu Dun stand vor dem weit geöffneten
Tor und kämpfte mit zwei Schwertern gleichzeitig.
Mindestens ein halbes Dutzend Krieger bedrängte ihn,
beschienen vom flackernden roten Licht der Fackeln, das durch
das Tor herausfiel. Er sah aus wie ein Dämon, der das Tor zur
Hölle bewachte.
Abu Dun war ein Furcht einflößender Gegner, aber diese
Übermacht war zu gewaltig, selbst für ihn. Er würde
unterliegen.
Andrej verbrauchte seine letzten Kräfte, um weiterzustolpern.
Die wenigen ärmlichen Hütten, die sich im Schutze der
Klosterfestung aneinander drängten wie eine Horde
verängstigter Tiere, die den Wolf gewittert hatten, blieben
hinter ihm zurück, und er wankte den Hügel hinauf.
Als er ihn überschritten hatte, tauchten wie aus dem Nichts
zwei schattenhafte Gestalten vor ihm auf: Birger und einer der
beiden Brüder; von dem anderen war noch immer nichts zu
sehen.
»Imret!« Birger war mit einem Satz bei ihm und nahm ihm
das bewusstlose Mädchen aus den Armen. Er sog entsetzt die
Luft zwischen den Zähnen ein, als er sah, in welchem Zustand
sie war.
»Sie lebt«, sagte Andrej schwach. Obwohl er vom Gewicht
des Mädchens befreit war, taumelte er und wäre fast gestürzt. Er
spürte, wie Stefan hinter ihn trat, vielleicht um ihn aufzufangen,
sollte er tatsächlich fallen.
»Diese Teufel!«, keuchte Birger. »Was haben sie ihr
angetan?!«
»Sie lebt«, murmelte Andrej schwach. »Sie ist ein starkes
Kind. Sie wird durchkommen, ich bin sicher. Aber ich muss
zurück. Abu Dun. Er hat … die Wachen aufgehalten. Ich muss
… zu ihm.«
»Aber Euer heidnischer Freund ist doch längst tot«, sagte
Birger. Etwas an diesen Worten war … seltsam. Andrej sah auf.
Birger starrte ihn aus brennenden Augen an. Er grinste, aber es
war kein menschliches Grinsen.
»Ihr werdet ihn trotzdem wieder sehen, keine Sorge«, fuhr
Birger fort.
»Schon bald.«
Andrej bemerkte eine Bewegung
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