Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Gräueltaten
angetan haben sollten. Immerhin schien er die ganze Nacht an
seinem Krankenlager gewacht zu haben - wie seine
Anwesenheit bewies.
Aber er hätte auch nicht vermutet, dass Birger ihm seine Hilfe
dankte, indem er ihm ein Messer in den Rücken stoßen ließ.
Die Erinnerung ließ einen Schatten über sein Gesicht
huschen. Birger …
Wie hatte er sich nur so in diesem Mann täuschen können?
Vielleicht war die Frage auch falsch gestellt. Er hatte sich
nicht wirklich in ihm getäuscht. Er hatte zumindest geahnt, dass
mit Birger etwas nicht stimmte, und er hatte ganz tief in sich
gespürt, dass er gefährlich war. Warum hatte er nicht auf seine
innere Stimme gehört? Und wenn schon nicht auf sie, dann
zumindest auf Abu Dun?
Mit dem Gedanken an den Nubier schlief er ein, und als er
erwachte, hatte sich das Licht abermals verändert: Heller, sehr
klarer Sonnenschein erfüllte das Zimmer. Es roch nach Schnee.
Sein Wohltäter stand mit dem Rücken zu ihm vor einer Truhe
an der gegenüberliegenden Wand und hantierte an etwas herum,
das Andrej nicht erkennen konnte. Gedämpftes Glockengeläut
drang durch das offen stehende Fenster herein, und irgendwo
weit entfernt wieherte ein Pferd.
Andrej lauschte in sich hinein. Er fühlte sich noch immer sehr
schwach, aber er hatte keine Schmerzen, und auch das Fieber
war fort. Behutsam richtete er sich auf, schlug die dünne Decke
zur Seite und stellte fest, dass er nicht ganz so nackt war, wie er
sich unter der rauen Rosshaardecke gefühlt hatte: Ein enger
Ring aus Metall schmiegte sich um sein rechtes Fuß-gelenk, an
dem eine massiv wirkende Kette befestigt war. Als er daran
zog, stellte er fest, dass ihm die Kette gerade genug
Bewegungsfreiheit ließ, um aus dem Bett aufzustehen und zwei
oder vielleicht auch drei Schritte zu tun.
»Versucht lieber nicht aufzustehen«, sagte der junge Priester.
»Ihr mögt Euch vielleicht wieder kräftig fühlen, aber glaubt
mir, Ihr seid es nicht.« Er drehte sich herum, lehnte sich gegen
die Truhe und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Habt Ihr jetzt ausgeschlafen, Andrej?«
Andrej stemmte sich auf die Ellbogen hoch und fuhr sich mit
der Zungenspitze über die Lippen. Er versuchte nicht zu
antworten, denn seine Kehle war so trocken, dass sie wehtat,
aber der junge Priester verstand wohl auch so. Er füllte Wasser
aus einem Krug in den geschnitzten Becher, den Andrej schon
kannte, und reichte ihn ihm. Allerdings trat er nicht nahe genug
an das Bett heran, um Andrej eine Möglichkeit zu geben, ihn
überraschend zu packen.
Andrej nahm den Becher, trank einen gierigen Schluck und
hustete qualvoll. Nachdem sich sein Atem einigermaßen
beruhigt hatte, leerte er den Becher mit sehr viel vorsichtigeren
kleinen Schlucken und leckte auch den letzten Tropfen mit der
Zungenspitze von den Lippen. Sein Durst war keineswegs
gestillt, aber seine Kehle brannte wenigstens nicht mehr wie
Feuer.
»Danke«, sagte er, während er den Becher zurückgab. Er
wäre fast vor dem Klang seiner eigenen Stimme erschrocken.
»Woher kennt Ihr meinen Namen?«
»Von meinem Vater«, antwortete der Priester. »Ich bin
Bruder Thobias. Wie fühlt Ihr Euch?«
»Besser«, antwortete Andrej - was zwar der Wahrheit
entsprach, im Grunde aber so gut wie nichts besagte.
»Das freut mich«, antwortete Thobias. Es klang ehrlich.
»Eine Weile sah es gar nicht gut um Euch aus. Der Mann hat
Euer Herz nur knapp verfehlt. Ihr seid ein zäher Bursche.«
»Aber Ihr habt mich anscheinend auch gut gepflegt«,
erwiderte Andrej mit einer Geste auf den straff angelegten
weißen Verband um seine Brust. »Ich nehme an, ich soll in
möglichst guter Verfassung sein, wenn Ihr mich auf die
Folterbank spannt.«
Thobias Miene verfinsterte sich. »Ihr wart unten im Verlies«,
sagte er. »Sagt, habt Ihr eine Folterbank gesehen, oder
irgendwelche anderen Marterwerkzeuge?«
»Ich habe die Zellen gesehen«, antwortete Andrej. »Und das
Mädchen.«
»Ich weiß, was Ihr gesehen habt«, erwiderte Thobias ruhig.
»Aber ich glaube, Ihr wisst nicht, was Ihr gesehen habt.« Er
machte eine Geste, mit der er das Gespräch beendete. »Wir
werden später noch Gelegenheit haben, darüber zu reden.
Vielleicht. Jetzt solltet Ihr erst wieder zu Kräften kommen. Ich
werde Euch eine kräftige Mahlzeit bringen. Ich nehme an, dass
Ihr hungrig seid.«
»Eigentlich nicht«, antwortete Andrej. »Jedenfalls nicht
sehr.«
»Das wundert mich«, sagte Thobias. »Immerhin habt Ihr zehn
Tage lang

Weitere Kostenlose Bücher