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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der gebeugten Haltung noch überragte, in der er dastand, aber
er war stark abgemagert, so als hätte er nichts zu essen
bekommen, seit er in diese Zelle gebracht worden war. Seine
Haut starrte vor Schmutz, und seine Augen waren trüb und
schienen Andrej im ersten Moment gar nicht zu erkennen. Dann
verzog ein Lächeln seine ausgetrockneten, rissigen Lippen.
»Hexenmeister«, murmelte er. Seine Stimme war ein
schreckliches Krächzen, als wäre auch seine Kehle ausgedörrt
und rissig.
Andrej musste sich zwingen, Abu Duns Lächeln zu erwidern,
und er spürte selbst, wie kläglich der Versuch scheiterte.
»Pirat«, antwortete er.
Abu Duns Grinsen wurde noch breiter. Seine geschundene
Unterlippe platzte auf, und ein einzelner Blutstropfen lief über
das Kinn des Nubiers.
»Nenn mich nicht so.«
»Wenn du aufhörst, mich Hexenmeister zu nennen«,
antwortete Andrej.
Die Worte klangen schal. Das zehn Jahre alte Ritual, mit dem
sie sich begrüßten, kam ihm mit einem Mal wie grausamer
Spott vor.
Mit einem Ruck drehte er sich zu Thobias um. Er zitterte am
ganzen Leib.
»Warum?«
Thobias hielt seinem Blick ruhig stand. Bevor er antwortete,
wandte er sich mit einer Geste an die beiden Soldaten, um sie
fortzuschicken. Sie gehorchten, aber sie zogen sich nur ein paar
Schritte weit zurück. Ihre Hände lagen auf den Schwertern.
»Es war der einzige Weg, ihn am Leben zu lassen«,
antwortete Thobias, nachdem die Männer außer Hör-weit
waren, mit gesenkter Stimme. »Die Männer wollten ihn töten.
Er hat ihre Kameraden erschlagen.«
»Macht ihn los!«, verlangte Andrej. »Auf der Stelle!«
»Das kann ich nicht«, antwortete Thobias. »Seht das doch ein,
Andrej! Ich bin nicht der Befehlshaber dieser Männer! Sie
unterstehen dem Landgrafen, und damit Vater Benedikt! Es hat
mich all meine Überredungskunst gekostet, Eurem Freund auch
nur das Leben zu retten! Sie würden ihn nicht losmachen, auch
wenn ich es ihnen befehle.«
»Er stirbt, wenn er noch länger in diesem Kerker bleibt«,
antwortete Andrej.
Er musste sich mit aller Gewalt beherrschen, um Thobias
nicht zu packen und wie einen tollwütigen Hund zu schütteln
und gegen die Wand zu werfen.
»Lass … gut sein, Hexenmeister«, krächzte Abu Dun. »So
schnell… sterbe ich nicht.«
Andrej überhörte seine Worte.
»Ihr werdet seine Fesseln lösen«, beharrte er. »Gestattet ihm,
sich zu setzen und sich zu waschen! Das ist
menschenunwürdig.«
»Ich kann das nicht«, sagte Thobias leise. »Ihr könnt mit ihm
reden, und das ist schon mehr, als ich Euch gestatten dürfte.
Ginge es nach den Männern hier, dann stünde er schon auf dem
Scheiterhaufen und würde brennen. Und nun beeilt Euch. Eure
Zeit ist fast um.«
Andrej schluckte die wütende Antwort hinunter, die ihm auf
der Zunge lag.
Sich mühsam beherrschend, drehte er sich zu Abu Dun um.
Erst jetzt bemerkte er die schwärenden Wunden und Kratzer,
die Abu Duns Körper bedeckten. Sie hatten ihn nicht nur
hungern lassen und in dieser qualvollen Haltung hier angekettet,
sondern auch geschlagen.
»Wie fühlst du dich?«
Abu Dun stieß einen sonderbaren Laut aus. »Das ist die mit
Abstand dümmste Frage, die ich je gehört habe«, antwortete er.
»Was glaubst du? Ich fühle mich so, wie ich aussehe.«
»So schlimm?« Trotz allem atmete Andrej auf. Abu Dun hatte
mit schleppender Stimme und stockend geantwortet, aber die
Wahl seiner Worte machte Andrej deutlich, dass er noch immer
bei Sinnen war.
»Du kommst bald hier raus«, sagte er. Im gleichen, bewusst
aufmunternden wie beiläufigen Ton fügte er hinzu: »Sobald ich
dieses Ungeheuer unschädlich gemacht habe.«
Abu Dun musterte erst ihn, dann Thobias aus trüben Augen
und wechselte ins Arabische: »Von welchem Ungeheuer
sprichst du?«
»Redet in einer Sprache, die ich verstehe!«, verlangte Thobias
scharf.
»Heute Nacht«, sagte Andrej, ebenfalls auf Arabisch. »Ich
hole dich raus.«
»Ich sagte, Ihr sollt so reden, dass ich Euch verstehe«, stieß
Thobias wütend hervor.
»Verzeiht, aber ich habe ihm nur wiederholt, was Ihr gesagt
habt«, antwortete Andrej. »Ich spreche auch nur wenige
Brocken seiner Sprache und verstehe ihn sowieso nicht.«
Er las in Thobias’ Augen, dass er ihm kein Wort glaubte.
»Das reicht«, sagte er zornig. »Ihr habt Euren Freund gesehen
und Euch davon überzeugt, dass er noch am Leben ist. Der
Besuch ist beendet!«
Andrej wollte sein Wort halten und Abu Dun im Laufe der
vor ihnen liegenden Nacht befreien. Er

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