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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die
Toten begraben und die Kranken wieder genesen waren, begann
das, was auch jetzt wieder geschieht. Tiere wurden gerissen,
Menschen verschwanden …« Er hob die Schultern, starrte einen
Moment wortlos zu Boden und begann schließlich mit kleinen
Schritten vor Andrej auf und ab zu gehen.
»Zwei der Gräber waren aufgebrochen, und die Leichen
verschwunden«, fuhr er nach einer langen Pause fort. »Von
innen aufgebrochen, Andrej. So, als wären die Toten wieder
aufgewacht und hätten sich aus ihren Gräbern befreit.« Er blieb
stehen, sah Andrej aus weit geöffneten Augen an und flüsterte:
»Ich habe es gesehen, Andrej. Mit meinen eigenen Augen.«
»Ihr wollt mir erzählen, dass die Toten aufgewacht sind und
sich aus ihren Särgen befreit haben?«, murmelte Andrej. Der
Klang seiner eigenen Stimme erschreckte ihn - aber der Grund
seines Schreckens war ein gänzlich anderer, als Thobias
annehmen musste: Thobias’ Geschichte ähnelte zu sehr der, die
ihm Alessa erzählt hatte.
»Ich weiß, wie sich das in Euren Ohren anhören muss,
Andrej«, sagte Thobias. »Aber ich schwöre bei meiner
unsterblichen Seele, dass es genau so war. Ich habe es selbst
gesehen.«
»Hexerei«, murmelte Vater Ludowig. »Das ist das Werk des
Teufels! Was muss noch passieren, bis du das begreifst? Habe
ich dich so schlecht gelehrt, das Offensichtliche zu sehen?«
»Du hast mich zu gut gelehrt, das Offensichtliche sehen«,
antwortete Thobias in einem Ton, der Andrej klarmachte, wie
oft die beiden ungleichen Männer dieses Gespräch schon
geführt haben mussten. ist zu leicht, alles auf den Teufel zu
schieben, Vater. Ich glaube, dass es eine Krankheit ist.«
»Eine Krankheit?«, fragte Andrej.
Vater Ludowig lachte böse.
»Eine grausame und fürchterliche Krankheit, ja, aber doch
nicht mehr als das!«, antwortete Thobias überzeugt. »Niemand
käme auf die Idee, den Teufel für die Pest verantwortlich zu
machen, oder für die Blattern.«
»Aber eine Krankheit, die die Menschen von den Toten
wiederauferstehen lässt?«, fragte Andrej zweifelnd.
Thobias lachte bitter auf. »Ich könnte Euch eine Menge
Erklärungen dafür nennen, Andrej«, sagte er. »Ich habe in
Nürnberg Anatomie studiert, bevor ich erfuhr, was hier
geschieht und zurückkam. Ihr wäret erstaunt, wie viele
vermeintlich Tote in ihren Särgen aufwachen und qualvoll
ersticken - wenn sie Glück haben. Die weniger Glücklichen
leben noch Tage. Sie reißen sich die Augen aus, zerfetzen sich
selbst die Gesichter oder beißen sich in ihrer Verzweiflung
selbst die Adern durch, um endlich sterben zu können.«
»Davon habe ich gehört«, antwortete Andrej. »Aber noch nie,
dass sie sich selbst aus ihren Gräbern befreien und danach als
Ungeheuer umherlaufen.«
Thobias lächelte flüchtig. »Ich höre mich selbst reden,
damals, vor drei Jahren«, fuhr er fort. »Ich sagte doch, ich habe
Anatomie studiert. Glaubt Ihr nicht, ich hätte nicht mindestens
ein Dutzend überzeugender Erklärungen gefunden?«
»Und wieso glaubt Ihr dann nicht selbst an sie?«, wollte
Andrej wissen.
»Ich habe Euch von dem Ungeheuer erzählt, das mich
beinahe getötet hat«, antwortete Thobias. Andrej nickte. »Eine
Sache habe ich Euch bisher allerdings verschwiegen, Andrej.
Aus gutem Grund. So grässlich entstellt das Ungeheuer auch
war, habe ich es trotzdem erkannt. Es war ein Mann hier aus
dem Dorf. Ein junger Mann, gerade so alt wie ich. Als Kinder
haben wir zusammen gespielt.« Er deutete auf die Gräber
ringsum. »Und vor drei Jahren hat mein Vater ihn auf diesem
Friedhof beerdigt, nachdem er in seinen Armen gestorben war.«
Ein Zehntel der Frist, die den Menschen in Trentklamm noch
zu leben blieb, war verstrichen, als sie ins Kloster
zurückkehrten. Die Sonne sank bereits, aber noch herrschte ein
helles Zwielicht, und Andrejs immer schärfer werdende Sinne
ermöglichten es ihm, sich das Kloster und den kleinen Ort zum
ersten Mal wirklich anzusehen.
Nicht, dass es der Mühe wert gewesen wäre. Der Ort bestand
aus weniger als einem halben Dutzend wuchtiger Gebäude, die
klein, aber allesamt aus Stein gebaut und mit Schiefer gedeckt
waren. Materialien, die die Menschen vermutlich in
unmittelbarer Nähe gefunden hatten. Holz als Baumaterial, so
nahm er an, war hier oben viel zu schwer zu beschaffen und
daher weit kostbarer als Stein. Nirgendwo war ein Zeichen von
Leben zu erkennen.
Obwohl auf den Felsen ringsum ebenso wie auf vielen
Dächern Schnee lag, stieg aus keinem

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